Die Universität Liechtenstein hat am 3. Oktober 2017 erstmals in Kooperation mit der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein das Liechtensteinische Versicherungsrechtsforum ausgerichtet. Der Bedarf nach einer Behandlung versicherungsrechtlicher Themenstellungen war bereits am starken Zulauf zu dieser Veranstaltung zu erkennen. Insgesamt 90 Vertreterinnen und Vertreter aus Praxis und Lehre der gesamten D-A-CH-LIE Region (und darüber hinaus) sowie hochkarätige Vortragende haben das erste Liechtensteinische Versicherungsrechtsforum zu einem Erfolg mit Wiederholungspotenzial gemacht.
Das im Titel angeführte „Danaergeschenk“ ist wohl in den neuen rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union für den Versicherungsvertrieb zu erkennen, welche auch die Versicherungsbranche und nationalen Gesetzgeber vor neue Herausforderungen stellt.
Einleitend wies Mag. Philipp Fuchs, LLM, stellvertretender Leiter des Bereichs Versicherungen und Vorsorgeeinrichtungen der FMA Liechtenstein, auf die Herausforderungen der nationalen Umsetzung der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) in Liechtenstein hin. Im September hatte der Landtag schliesslich einstimmig beschlossen, auf die Vorlage für ein Versicherungsvertriebsgesetz, also die Umsetzung der IDD in Liechtenstein, einzutreten. Fuchs betonte, dass in Liechtenstein beabsichtigt sei, nur die Vorgaben der IDD umzusetzen und auf „Gold-Plating“ zu verzichten. Von der Erlassung abweichender, strengerer Vorschriften soll daher weitgehend abgesehen werden. Dementsprechend wurde auf die Einführung eines Provisionsverbots in Liechtenstein verzichtet.
Univ.-Prof. Dr. Michael Gruber, Universität Salzburg, gab im anschliessenden Vortrag einen Regelungsüberblick zur IDD. Der Eindruck eines Danaergeschenkes hatte sich auch hier weiter verfestigt. Gruber brachte zum Ausdruck, dass „uns die Arbeit an der Umsetzung der IDD nicht ausgehen“ werde. Laut Gruber eröffnet die Richtlinie vielseitige Umsetzungsoptionen und ist damit aus binnenmarktrechtlicher Sicht ungünstig, weil sie nicht zu einer Vereinheitlichung und Harmonisierung des Versicherungsvertriebsrechts in der EU beitrage. Das kommt beispielsweise in der unterschiedlichen Handhabe sogenannter Provisionsverbote in den 28 EU-Mitgliedsstaaten zum Ausdruck. Über solche Diskrepanzen hinaus werden Branchenvertreter von umfassenden Weiterbildungspflichten im Umfang von 15 Stunden pro Jahr erfasst. Gerade im Hinblick darauf, dass Versicherungsmakler, Vertriebsmitarbeiter, Agenten usw. nach Vorgabe der bis 23. Februar 2018 umzusetzenden Richtlinie in Zukunft im bestmöglichen Interesse des Kunden zu handeln haben, ergeben sich aus einer Verletzung der Weiterbildungsverpflichtung unter Umständen kritische Haftungsfolgen, sofern ein Kunde eine Fehlberatung geltend macht.
Um bei der griechischen Überlieferung zu bleiben, wies Gruber mit Sophokles‘ „Töte nicht den Boten!“ auf eine weitere kontroverse Änderung, die mit Richtlinienumsetzung droht, hin. Vergütungen werden in Zukunft einer Offenlegungspflicht unterliegen und darüber hinaus werden bestimmte Vergütungsregelungen zukünftig verboten.
Prof. Dr. Anton K. Schnyder, Universität Zürich, beleuchtete im Anschluss das Versicherungsvertriebsgesetz und erörterte die völkerrechtlichen Schnittstellen zur Schweiz; dabei ging Schnyder auch auf den aktuellen Stand der Reform des Schweizer Finanzdienstleistungsgesetzes (FIDLEG) ein, wobei das FIDLEG keine Regelungen über den Versicherungsvertrieb enthalten soll. Schnyder konstatierte, dass aufgrund der unterschiedlichen Regelungsstrukturen massive Wettbewerbsverzerrungen zwischen Liechtenstein und der Schweiz zu befürchten seien.
Auf die Komplexität der entsprechenden Level II und Level III Rechtsakte ging in einem weiteren Vortrag Rechtsanwältin Dr. Isabel Funk-Leisch, Herbst Kinsky Rechtsanwälte, Wien, ein. Sie skizzierte den Anwendungsbereich und den immer höher werdenden Detailgrad der Delegierten Rechtsakte der EU und der geplanten Leitlinien der EIOPA (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen). Exemplarisch wies Funk-Leisch darauf hin, dass aufgrund der Detailschärfe des Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission vom 11. August 2017 für das zwingend zu erstellende Produktinformationsblatt (IPID) den Versicherungsunternehmen kein Gestaltungsspielraum mehr bleibt. Entgegen des von den sonstigen Referierenden festgestellten Trends, ist in diesem Bereich mit einer Harmonisierung der europäischen Vorgaben zu rechnen.
Wenngleich die IDD keine explizite Verbraucherschutzrichtlinie darstellt, so bringt die Verschärfung von Informations- und Beratungspflichten eine vermeintliche Stärkung von Verbraucherschutzinteressen mit sich. Die als solche beschriebenen „Wohlverhaltensregeln“ für Versicherungsunternehmen gegenüber ihren Kunden, wurden von der Rechtsanwältin Dr. Ulrike Mönnich, LLM, MBH Attorneys at Law, Zürich, aufgrund des in der D-A-CH-LIE Region ohnehin geltenden Lauterkeitsrechts teilweise für redundant gehalten. Aber wie weit geht nun die Beratungspflicht in der Zukunft? Mönnich wies etwa auf die Notwendigkeit einer „ausgewogenen Marktanalyse“ hin, die im Vorfelde eines Vertragsschlusses durchzuführen ist. Im Zuge dieser Analyse müssen auch Fremdprodukte anderer Versicherungsunternehmen berücksichtigt und der Kunde darauf hingewiesen werden. Dass als Folge dieser Analyse Kunden an die Konkurrenz geschickt werden, wenn ein bestimmtes Versicherungsprodukt nicht für Kunden geeignet sei, ginge aber nach dem Verständnis und Regelungszweck der Richtlinie doch zu weit.
Wie schon eingangs von Professor Gruber erwähnt, wirken die Regelungen betreffend Versicherungsanlageprodukte wie etwa eine fondsgebundene Lebensversicherung aufgrund spezifischer technischer Ausführungsbestimmungen und missglückter Übersetzungen ins Rechtsdeutsch wie ein Fremdkörper in der IDD. Seine Mitarbeiterin, Staff Scientist Mag. Dr. Julia Baier, Universität Salzburg, führte unter anderem aus, was unter einem Versicherungsanlageprodukt zu verstehen ist. Wenngleich diese Frage aus heutiger Perspektive noch nicht abschliessend beantwortet werden kann, konnten die Tagungsteilnehmenden einen guten Überblick über den aktuellen Diskussionsstand in der D-A-CH-LIE-Region gewinnen.
Mag. Dieter Pscheidl, Head of European Affairs Vienna Insurance Group AG, ist mit der Umsetzung der IDD in 14 Mitgliedsstaaten befasst und konnte aus seiner Praxiserfahrung den allgemeinen Befund, wonach der Binnenmarkt mit einer grösstmöglichen Varianz an Umsetzungsbeispielen konfrontiert sein wird, bestätigen. Aufgrund von Minimalvarianten der Umsetzung bis hin zu Gold-Plating wird die Versicherungsbranche gerade im grenzüberschreitenden Vertrieb mit einer nur geringen Harmonisierung und verschiedensten nationalen Spielarten konfrontiert werden.
Einhelliger Befund der Referentenrunde war: Die IDD stellt keine Sternstunde der EU-Gesetzgebung dar. Ob langfristig eine Insurance Distribution Regulation – also eine Regelung des Versicherungsvertriebs durch eine EU-Verordnung, die in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar anzuwenden ist – der logische nächste Schritt im Rahmen der Regulierung des Versicherungsvertriebs ist, kann als wahrscheinlich bezeichnet werden, bleibt aber abzuwarten.
Bericht von Mag. iur. Marco Dworschak