Während der Corona-Jahre 2020 und 2021 hat die Universität Liechtenstein vor allem von den Restriktionen und Reisebeschränkungen überdurchschnittlich profitiert. Viele Studierende aus der Region haben sich für ein Studium in der Nähe ihres Heimatorts entschieden. Ein weiterer zu beobachtender Effekt der Pandemie war das Verschieben von Abschlussprüfungen, wodurch die Studierenden länger im System blieben. Die Wirkung dieser Einmaleffekte endete mit der «Rekorddiplomfeier» von 173 Absolventinnen und Absolventen, die im September 2022 ihre Diplome erhielten. Ebenfalls hat die internationale Mobilität der Studierenden wieder deutlich zugenommen.
Zunehmender Konkurrenzdruck in dynamischer Hochschullandschaft als besondere Herausforderung
Dieses Wintersemester schlägt sich der ebenfalls an zahlreichen Hochschulen in Österreich, Deutschland und der Schweiz bemerkbare Trend sinkender Studierendenzahlen daher erstmals in Zahlen nieder: Zum Stichtag 15. November 2022 verzeichnet die Universität Liechtenstein 589 Studierende in den konsekutiven Studiengängen in Architektur und Wirtschaftswissenschaften. Das ist ein Rückgang von knapp 15 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitpunkt des Vorjahres.
Sinkende Maturandenzahlen aufgrund des demografischen Wandels, Aufhebung der Restriktionen der Corona-Pandemie, zunehmender Konkurrenzdruck durch immer vielfältigere Studienangebote, vor allem in der Region – die Gründe für diese Entwicklung sind mannigfaltig und treffen auch andere, vor allem kleinere Universitäten in ländlichen Regionen im deutschsprachigen Raum.
Berücksichtigt werden muss ebenfalls, dass die Universität Liechtenstein, anders als die Hochschulen im deutschsprachigen Ausland und der Region über keinen grossen «Heimmarkt» verfügt. Für das Land Liechtenstein und die Universität stellt es daher eine besondere Herausforderung dar, dass die Träger der Hochschulen in den angrenzenden Regionen seit einigen Jahren in grossem Umfang in deren Ausbau und Weiterentwicklung sowie in Werbe- und Rekrutierungsmassnahmen investieren.
Nicht alle Studiengänge sind von einem Rückgang betroffen
Eine Analyse zeigt, dass der Bachelorstudiengang Architektur diesem Trend nicht folgt: das Interesse der Studienbeginnerinnen und -beginner ist nach wie vor ungebrochen und die Zahl der Erstsemester in etwa konstant zu den Vorjahren. Positiv ist ebenfalls hervorzuheben, dass erstmals in der Geschichte der Universität mehr als 50 Studierende in Doktoratsstudiengängen inskribiert sind. Das ist ein erfreulicher Zuwachs von 13 Prozent.
Negative Entwicklungen zeigen sich vor allem bei den Masterstudierenden aller Studienrichtungen. Eine kürzlich unter Studierenden durchgeführte Umfrage ergab, dass die knappe finanzielle Ausstattung der Universität, welche ein attraktives Campus-Angebot für die Studierenden stark erschwert, ein wesentlicher Grund für diese negative Entwicklung ist. Ebenfalls hat sich gezeigt, dass die seit Jahren andauernden öffentlich ausgetragenen Debatten über die Universität im Lande zu steigender Unsicherheit bei den Studierenden geführt haben. «Erstsemester sind hier noch weniger kritisch», erklärt Carmen Dahl, Leiterin Marketing und Kommunikation, «aber speziell die Studierenden, die nach dem Bachelor ein konsekutives Masterstudium beginnen wollen, verlieren wir an attraktivere Studienstandorte, ohne dass es uns gelingt, vermehrt Bachelor-Absolventinnen oder -Absolventen anderer Universitäten für Liechtenstein gewinnen zu können».
Qualitätssicherung und langfristige Universitätsstrategie als Antwort
«Kurzfristig prüfen unsere Studiengangsmanagerinnen und -manager unter Aufrechterhaltung unserer hohen Qualitätsansprüche mögliche Gegenmassnahmen, wie attraktive Kooperationen und Forschungsprojekte mit lokalen bzw. regionalen Unternehmen, Anpassungen des Semesterkalenders sowie Möglichkeiten, die Quote der Studienabbrüche zu senken», erläutert der akademische Leiter der konsekutiven Lehre (Undergraduate und Graduate School), Ass.-Prof. Dr. Sebastian Stöckl, die nächsten Schritte. Mittel- und langfristig begegnet die Universität den inhaltlichen wie finanziellen Herausforderungen in der kompetitiven Bildungs- und Hochschullandschaft sowie dem Druck zur Gewinnung von Studierenden durch Qualitätssicherung in Form von weiteren Akkreditierungen. Nach der erfolgreichen RIBA-Akkreditierung und jener der Schweizerischen Agentur AAQ, ist die gerade laufende internationale Akkreditierung AACSB ein wichtiger Meilenstein, welche der Reputation der Universität weiteren Auftrieb verleihen wird.
«Positive Aussichten und Prognosen erlauben auch die von der Regierung im Sommer dieses Jahres in Auftrag gegebene externe Prüfung durch ein in der Schweiz ansässiges international tätiges Forschungs- und Beratungsunternehmen. Dieses bestätigt, dass die Attraktivität der Universität Liechtenstein durch ihre strategische Neuausrichtung mit Schools, die der Entwicklungsplanung 2023–2026 sowie ihrem Zielbild 2030 zugrunde liegen, gesteigert werden kann», so Dekane, Ass.-Prof. Dr. Alexandra Butterstein, Prof. Dr. Daniel Stockhammer und Prof. Dr. Marco Menichetti.
Da vor allem die demografische Entwicklung nicht beeinflussbar ist, muss man jedoch davon ausgehen, dass sich die Studierendenzahlen an vielen deutschsprachigen Hochschulen über die nächsten Jahre zunächst auf einem niedrigeren Niveau als bisher einpendeln werden. Eine Statistik der deutschen Kultusministerkonferenz aus 2021 prognostiziert erst für 2028 eine Trendwende. Diese Prognose gilt allerdings rein für die Studiengänge der Ausbildung, nicht für die Weiterbildung.