Der Vormarsch nachhaltiger Investmentansätze zwingt auch traditionelle Anlagekonzepte erneut auf den Prüfstand. Publizierten 2011 erst 20 Prozent der S&P-500-Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht, waren es 2016 schon 81 Prozent. Das erhöhte Bewusstsein für die Nachhaltigkeitsperformance eines Unternehmens entwickelte sich aus dem Verständnis, dass die Empirie zeige, dass durch den Einschluss von ESG-Kriterien wenn schon nicht die Performance erhöht, so doch das Risiko im Portfolio gesenkt wird, führt der Dr. Kurt Becker, Chefredakteur des «Institutional Money Magazin» aus.
Kriterien von Nachhaltigkeit
«Der Stand der Wissenschaft sieht heute so aus, dass ESG mehr und mehr von der Risiko- statt von der reinen Renditeseite her betrachtet wird», meint Lars Kaiser. Er legte jüngst eine Arbeit vor, die für Investoren, die mit der beschriebenen Frage beschäftigt sind, wertvolle Entscheidungshilfen anbietet.1
Ausgangspunkt seines Papiers waren 1072 europäische und 1756 amerikanische Firmen, die Thomson Reuters in seiner Datenbasis zwischen Januar 2002 und Dezember 2015 listete. Der Wissenschaftler betont, dass er bei ESG nicht nur auf die Kriterien «Umwelt» und «Soziales» abstellt, sondern explizit den Faktor guter Unternehmensführung in die Analyse mit einbezieht, um einen Unterschied zwischen institutionellen und privaten Investoren herauszuarbeiten. Existierende Studien deuten darauf hin, dass Institutionelle beim Thema Nachhaltigkeit mehr Gewicht auf Corporate Governance legen, wobei Privatinvestoren bei Nachhaltigkeit vor allem an Umwelt- und soziale Belange denken und ihre Investmententscheidung danach ausrichten.
Unternehmensgrösse und Nachhaltigkeitsperformance
Die Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass eine positive Beziehung zwischen Unternehmensgrösse und Nachhaltigkeitsperformance besteht. Des Weiteren weist Kaiser nach, dass dieser Zusammenhang zwischen Size und Nachhaltigkeit sowohl in Europa als auch in den USA für jeweils alle drei Teilratings gilt. Kaisers Ergebnisse stehen im Einklang mit der These, dass der Einsatz von ESG das Portfoliorisiko verringert. Offensichtlich, so Kaiser, werde den Nachhaltigkeitsthemen in den beiden Regionen unterschiedliche Aufmerksamkeit zuteil. So seien europäische Investoren mehr um Umwelt- und soziale Themenkreise besorgt als Investoren in den USA. Zudem zeigt Kaisers Analyse, dass sich – entgegen der allgemein vorherrschenden Meinung – auch Value Strategien um ESG-Kriterien erweitern lassen ohne zwangsläufig in einem nachteiligen Risiko-Rendite-Verhältnis zu resultieren. Zusammengefasst deuten die Resultate darauf hin, dass die Nachhaltigkeitsperformance europäischer Unternehmen sich bereits grossteils in den Kursen widerspiegelt. Im Gegensatz dazu widmen US-Investoren den Umwelt- und Sozialaspekten der Nachhaltigkeit weniger Aufmerksamkeit, weswegen diese noch nicht zur Gänze in den Kursen ihren Widerhall finden. Grundsätzlich liegt eine simple «one-size-fits-all»-Lösung bei der Integration von ESG-Kriterien jedoch nicht vor.
1: Kaiser, Lars, ESG Integration: Value, Growth and Momentum (January 20, 2018) unter https://ssrn.com/abstract=2993843 oder http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.2993843
Die vollständige Besprechung im «Institutional Money Magazin» unter https://www.institutional-money.com/fileadmin/emagazin/2018_4_IM/88/index.html