Die ungewöhnliche Spange, Ethik gleichzeitig mit Ökonomie und Baukunst zu verbinden, war auch für Nida-Rümelin eine Premiere, wie er gleich zu Beginn seines rund einstündigen Vortrags erklärte. Doch auf Grund seiner Lebensgeschichte – er ist als Sohn und Enkel der Bildhauer und „Kunst am Bau“-Künstler Rolf und Wilhelm Nida Rümelin aufgewachsen – und seiner Berufserfahrung – der Philosophie-Professor war als Kulturreferent der Stadt München und später als Kulturstaatsminister der deutschen Regierung immer auch mit ökonomischen wie auch bautechnischen Fragestellungen konfrontiert – erkenne er die enge Verflechtung dieser Fachbereiche. Nida-Rümelin zitierte die politische Theoretikerin Hannah Arendt, die in ihrem Hauptwerk „Vita activa“ die „Dominanz der Ökonomie in der Praxis“ beschrieb und stellte die These auf, dass es „heute nur noch eine ‚techne‘ im aristotelischen Sinne gibt, nämlich die Baukunst“, da sich die künstlerische Praxis aus den alltäglichen Lebenswelten herausgezogen hat und nur noch als autonome Kunst auftritt.
Nida-Rümelin führte aus, dass Funktionalität als alleiniges Prinzip für den Städtebau nicht ausreiche, sondern es ethische Bedingungen für gutes Bauen brauche: ein interaktives und kooperatives Miteinander der Akteure, weiters kulturelle Sensibilität, die sich an den menschlichen Grundbedürfnissen orientiert. Im Übrigen gehöre Respekt gegenüber Differenzen resultierend aus den multikulturellen Lebensformen ebenso dazu wie die Partizipation der Bürgerschaft am Lebensraum. Da gerade öffentliche Bauten einem hohen ökonomischen Druck ausgesetzt sind – schliesslich kommen dafür Steuergelder zum Einsatz – war der Bogen zur Wirtschaft schnell geschlagen. Der Referent vertrat einen integrativen Ansatz, bei dem Ethik und Ökonomie einander nicht entgegenstehen, sondern führte aus, dass eine vernünftige ökonomische Praxis bereits Ethik beinhalte, da sie nur erfolgreich sein könne, so lange sie ethisch und kulturell eingebettet bleibe.
Der Abend fand wie immer bei Campus Gesprächen seinen Abschluss bei einer Diskussionsrunde mit dem Publikum und weiterem Gedankenaustausch beim Apéro.