Ein Zwei-Zimmer-Hotel auf Zeit

In Andelsbuch steht ein «kleines Hotel», das zeigt, wie kreativ Nachhaltigkeit ist

Architekturstudenten der Summer School der Universität Liechtenstein haben mit eigenen Händen erprobt, was intelligenter Umgang mit Ressourcen bedeutet. In Zusammenarbeit mit Handwerkern aus dem Bregenzerwald.


«Wir haben vier Meter lange Hölzer zusammengesetzt – Brett für Brett, wie Legosteine, bis der Prototyp für ein Zwei-Zimmer-Hotel stand», erzählt Sofia Hoch, die sich in Liechtenstein und Costa Rica zuhause fühlt. Sie ist eine von 15 Architekturstudenten der ersten «Summer School Arts & Crafts», die Mitte Juli 2015 an der Universität Liechtenstein stattfand. In Workshops – eine Woche an der Universität in Vaduz und eine Woche im Werkraum Bregenzerwald in Andelsbuch – entwickelten die Studierenden aus aller Welt handwerkliches Können und künstlerisches Talent.

Die Idee dahinter: «Hier steht ein perfekter Handwerker aus dem Bregenzerwald und hier ein inspirierender Künstler – und beide zusammen ergeben einen sehr guten Architekten», erklärt Hugo Dworzak, Leiter des Instituts für Architektur und Raumentwicklung der Universität. «Die Universität Liechtenstein ist eine zentrale Schnittstelle, um regionales Bewusstsein und internationale Ansprüche zu verbinden», fügt Carmen Rist-Stadelmann, Koordinatorin der Summer School, einen weiteren Aspekt hinzu.

Bregenzerwälder Handwerker als Mentoren

Mit dem Werkraum Bregenzerwald fand die Universität Liechtenstein dazu einen innovativen Partner. Das vom international bekannten Basler Architekten Peter Zumthor entworfene Haus für das Handwerk beweist beispielhaft: Zeitgenössische Architektur in Vorarlberg ist ehrgeizig und qualitätsbewusst. Dasselbe gilt für die eigenständige und designorientierte Handwerkerszene in der Region.

Gegenseitiges Verstehen sei eine wichtiger Teil der Kultur im Bregenzerwald und des Architektenberufes, erinnert der Designer und Architekt Andreas Mohr. Er leitete das Projekt «Zwei-Zimmer-Hotel auf Zeit». Und weil man Handwerkskunst nicht aus dem Lehrbuch und auch nicht per Computer lernt, wurden 11 von insgesamt 85 Handwerksmeistern des Werkraums zu Mentoren für die Architekturstudenten aus den USA, Hongkong, China, Kanada, Kolumbien, Schottland und Costa Rica.

Ziel war, zwei Hotelzimmer zu bauen. Unter den Handwerkern fanden sich Spezialisten für Holzkonstruktionen, Natursteinhersteller, Tischler, Polsterer, Seiler, Solarfachleute, Elektriker, Installateure und eine Filzhandwerkerin. Die zukünftigen Architekten und die profilierten Handwerker wählten gemeinsam die Materialien aus, sie bauten, zimmerten, nähten, installierten, isolierten und improvisierten miteinander. Leitgedanke war, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Modern, hell, geradlinig, preis- und ressourcenbewusst.

West trifft Ost in zwei Hotelzimmern

«Für die Vorhänge haben wir Möbelverpackungsmaterial recycelt, und das naturweisse Kissen auf der Balkonbank ist mit Stroh gefüllt», erklärt Sofia Hoch. «Der Blick auf Wiesen und Berge ist fantastisch. Geduscht wird mit Regenwasser vom Flachdach, und das Duschwasser speist den WC-Spülkasten», zeigt sie die Konstruktion. Die beiden Hotelzimmer messen je rund 15 Quadratmeter. Kompromisslos nach dem Motto: Weniger ist mehr.

An schwarzen Kabeln hängen Glühbirnen. Die Nachttische links und rechts der Doppelbetten zieren Lilien aus Filz. Davor stehen Filzhausschuhe. «Die Architekturstudenten haben das Material Filz mit Händen und Kopf wirklich begriffen», sagt Marianna Moosbrugger. Die Handwerkskünstlerin aus Au stellt Filz-Design her. «West trifft auf Ost, und Nachhaltigkeit trifft Lichtdurchlässigkeit», erklärt Hugo Dworzak das «kleine Hotel» für vier Gäste, das in einer einzigen Woche entstand. Zum Abschluss der «Summer School» am Samstag, 18. Juli 2015, bekräftigte er, wie sehr das Künstlerische ein wesentliches Element für gute Architektur sei.

So hatten sich die jungen Leute denn auch in der ersten Woche der Summer School von Künstlern aus Spanien, Hongkong und Vorarlberg anspornen lassen, Neues auszuprobieren. In drei Workshops in Vaduz skizzierten, zeichneten und gestalteten sie aus Gips. «Manche haben mit Tablet und Pinsel experimentiert, andere Aquarellfarben ausprobiert», erzählt Sofia Hoch und zeigt anhand Ihrer Bilder, was es heisst, den historischen Stadtkern von Feldkirch perspektivisch präzise zu erfassen, aber auch der eigenen Idee freien Lauf zu lassen.

Zweite Summer School geplant

Die zweite Auflage der «Summer School Arts & Crafts» der Universität Liechtenstein ist bereits angedacht. «Die Studierenden aus aller Welt waren begeistert von der Idee, dass Architektur perfektes Handwerk und inspirierende Kunst verbindet», sagt Carmen Rist-Stadelmann. Bis Anfang Oktober jedenfalls ist das «kleine Hotel» im Werkraum Bregenzerwald in Andelsbuch zu sehen und zu erleben.

Weitere Informationen unter www.uni.li/summerschool und www.werkraum.at