Im Sommer 2018 stellten Studierende des Studios/Stadt von Martin Mackowitz und Wolfgang Schwarzmann der Universität Liechtenstein ein kleines, temporäres, rotes Teehaus mit pagodenartigem Bitumendach auf den Raiffeisenplatz in Feldkirch. Öffnet man seine Läden aus transluzenten Stegplatten, wird es zum Kiosk und überrascht mit einem komplementärfarbig kobaltblauen Innenleben. Eine einzigartige Anlaufstelle für Tee, Gespräche und Interaktion. Besonders während der Architekturtage am 24. und 25. Mai 2018.
Einen Steinwurf vom Katzenturm liegt der Raiffeisenplatz höchst prominent, aber auch sehr versteckt in zweiter Reihe im Zentrum von Feldkirch. Hat man den lauschigen Innenhof auf der Rückseite des Palais Liechtenstein erst entdeckt, fühlt man sich, als wäre die Zeit stehen geblieben. Umgeben von Häusern, tut sich hier eine versteckte Oase auf: Vögel zwitschern, sitzbankhohe Mauern rahmen erhöhte Rasenflächen, an deren Rändern gestutzte Hecken und schöne, alte Bäume stehen. Der Brunnen am Platz ist längst versiegt, in seiner Mitte steht ein Geviert von Bänken, alle Wege sind mit altem Kopfsteinpflaster in anmutigen Kreisbögen befestigt. Das passt gut zum mittelalterlichen Fachwerkhaus, dem abgeblätterten Putz seiner Nachbarn und der zurückhaltenden Eleganz des Palais Liechtenstein, verträgt sich aber auch mit der schlichten, modernen Rückseite der namensgebenden Bank.
„Der Raiffeisenplatz hat eine Hinterhofcharakteristik. Er war ein Umschlaplatz für Drogen und bot auch einer gewissen Klientel Übernachtungsmöglichkeit“, erzählt Ingo Türtscher, Projektdirektor der POTENTIALe. Dieses Team der Stadtkultur und Kommunikation Feldkirch will die Entfaltungsmöglichkeiten brachliegender Orte aufspüren und durch Interventionen gleichsam wachküssen. Martin Mackowitz und Wolfgang Schwarzmann, die an der Universität Liechtenstein das Studio/Stadt leiten, wurden eingeladen, sich mit dem Raiffeisenplatz zu befassen. „Sähe man nur ein Luftbild, würde man eine hohe Aufenthaltsqualität vermuten“, sagt Mackowitz. Der Platz ist schön proportioniert, ruhig und grün. „In Wirklichkeit aber gibt es Menschen, die hier nicht mehr gern durchgehen. Wir näherten uns also inhaltlich: Wir wollten ihnen gleichermaßen den roten Teppich ausrollen.“
Zwanzig Studierende ließen den Raiffeisenplatz auf sich einwirken, machten Fotos und Skizzen und beschlossen dann, dort eine Teezeremonie für Anrainer und Passanten abzuhalten. „Dadurch, dass man Gäste hat, ist man viel sensibler in der Wahrnehmung“, so Mackowitz. Die Studierenden richteten den Platz gastlich her, breiteten Teppiche aus und dachten sich Szenerien zum Teegenuss auf britisch oder arabisch aus. Eine Gruppe forderte die Besucher auf, über Böcke zu springen, um sich ihren Tee zu „verdienen.“ Dann planten sie unterschiedliche Projekte, die von einer Jury beurteilt wurden. Die Essenz der besten fünf Ideen führte zum Teehaus: Klein, skulptural, mit einem pagodenartigen Dach aus schwarzem Bitumen, strahlend Feuerrot gestrichen, steht es nun auf unbestimmte Zeit am westlichen Eck auf einer Rasenplattform zwischen den Bäumen. Seine Lage ist strategisch: Nähert man sich dem Platz, sieht man den roten Rand des Teehauses leuchten, geht man weiter, kommen einem zwei flache, rote Rampen einladend entgegen, die keck am Rasen ausfransen. Sie nehmen einem die Scheu, die ummauerte Wiese zu betreten, umschmeicheln den Baum am Eck, bilden eine Art hölzernen Teppich für das Teehaus und machen es auch barrierefrei erreichbar. „Uns war wichtig, die Aufenthaltsqualität des Platzes zu steigern, dabei aber keine Klientel aus zu schließen. Es ging um Koexistenz: alle haben ein Recht auf diesen Platz.“
Das Teehaus ist ein kleines Wunderwerk. Schon während seiner Bauzeit im Sommer 2018 wirkte es als Katalysator für Kommunikation. „Die Herstellung mit den Studierenden ist extrem wichtig“, sagt Mackowitz. „Es geht stark ums Machen, wie man rasch mit wenig Aufwand in die Erfahrungsebene kommt.“ Mit minimalem Budget, Kantholzspenden aus Fichte von Holzbau Tschabrunn, Farben der Firma Morscher aus Rankweil, einem Flämmer, Akubohrern, Schrauben, viel Experimentierfreude und Enthusiasmus bauten die Studierenden in einer Woche das Teehaus und sein Podest. Ihre tätige Präsenz vor Ort zog viel Neugier auf sich. So beobachtete ein Dachdecker einen Studenten. „Du flämmst viel zu laut,“ merkte er an. Als dieser seinen Rat befolgte, freute er sich sehr. Der Student auch, denn das Flämmen funktionierte mit weniger Hitze wesentlich besser. Auch das Podest und die Rampen auf dem Rasen statisch hieb- und stichfest zu konstruieren, war nicht so leicht. Nun wirkt es, als wäre das Teehaus schon immer da gewesem. Seine Erscheinung ist sympathisch, sein Charakter vielschichtig: Geschlossen erinnert es an einen kleine, rote buddhistische Pagode oder ein britisches Telefonhäuschen. Transluzente Stegplatten lassen an Seidenpapier denken und das Sonnenlicht durch seine Läden schimmern. Klappt man diese hoch, verwandelt sich das Teehaus zum Kiosk und überrascht mit einem kobaltblauen Innenleben. Seine Rückwand dient auch als Regal und provisorische Bar. Vorlesungen, Ausstellungen und Performances fanden hier schon statt, wer es bespielen will, kann seine Ideen bei den POTENTIALen einreichen, während der Architekturtage am 24. und 25. Mai ist es schon ausgebucht.
„Uns war wichtig, die Aufenthaltsqualität des Platzes zu steigern, dabei aber keine Klientel aus zu schließen. Es ging um Koexistenz: alle haben ein Recht auf diesen Platz.“ Martin Mackowitz
Text: Isabella Marboe, VN Vorarlberg
Fotonachweis: Patricia Keckeis
Bauweise: Dreischichtplatte 42mm Fichte, Unterkonstruktion Kanthölzer Fichte 8x8 cm
Beteiligte: Studierende der Universität Liechtenstein unter Anleitung von Wolfgang Schwarzmann und Martin Mackowitz
Aigner Alexander, Bäcker Antonia, Baertschi Edwin Juerg, Bendol Patrick-James, Bitschnau Katharina Maria, Ellinger Lisa, Frei Edwin Maximilian, Gassner Lars, Lampert Natalie, Latzel Alexander, Lins Nadine, Meier Christian, Meier Maximilian, Miletic Zoran, Münzer Sabrina Catharine, Oeler Sandra, Raggl Julia Maria, Sauvant Carla, Schaller Kim Lena, Schneider Pauline, Shala Shefket, Sota Renero Patricio, Truffer Attila, Ulrich Nick Conrad, Zachariadou Soultana