Nachhaltigkeit ist kein zusätzlicher Aspekt der Unternehmensführung mehr. Sie ist vielmehr zum Kern der Geschäftstätigkeit geworden. Wie die Teilnehmer von LISDAR am dritten Tag des Kongresses aufgezeigt haben, müssen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle ebenso überdenken wie ihre Organisation. Dafür brauchen sie auch geeignete Informationssysteme.
Der dritte Tag von LISDAR konzentrierte sich auf Geschäftsmodelle in einer nachhaltigen Wirtschaft wie auch auf Informationssysteme, die helfen, die Wirtschaft nachhaltig zu machen. Verantwortungsbewusste Unternehmen und Informationssystem seien zentral für eine nachhaltige Wirtschaft, sagte Peter Droege, Initiant und Vorsitzender des Kongresses, zu Beginn des dritten Tages.
Nachhaltig werden oder verschwinden
Nachhaltigkeit ist schon jetzt ein wichtiges Thema für viele Unternehmen. Sie hat sich als fähig erwiesen, Wettbewerbsvorteile für Unternehmen zu schaffen, Risiken einzuschränken und die Beziehungen mit wichtigen Partnern zu verbessern, mit Kunden ebenso wie mit Mitarbeitern und anderen, sagte Moritz Loock, Assistenzprofessor am Good Energies Lehrstuhl für das Management erneuerbarer Energien an der Universität St.Gallen. Nachhaltiges Management setze aber einzigartige Kompetenzen voraus: die Aufmerksamkeit über die bestehenden Grenzen hinweg auszudehnen, strategische Entscheide zum Nutzen des Unternehmens zu treffen und die Realität angemessen wahrzunehmen.
Diese Fähigkeiten können über das Schicksal von Unternehmen entscheiden. Für Stefan Güldenberg, Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Management und Dekan der Graduate School der Universität Liechtenstein, ist die entscheidende Frage, ob das Management fähig ist, sich selber zu erneuern und sogar neu zu erfinden. Wenn es erst einen Sturm braucht, um das von der Industriegesellschaft geprägte Management zu verändern, dann wäre dies das Ende vieler Unternehmen, die sich dem Wandel entgegenstellen. Auf der anderen Seite stehen die lebendigen Organisationen, also diejenigen Strukturen, die offen sind für ihre Umwelt, tolerant gegenüber neuen Unternehmen und mit einem starken inneren Zusammenhalt. Sie können schneller lernen als ihre Mitbewerber. Sie brauchen aber Unternehmer, die selber lernen können und vor allem die inneren Hindernisse für Lernprozesse im Unternehmen abbauen können. Diese Unternehmer führen mit ihrer Vorbildrolle.
Alte Textilien erhalten neues Leben
Nachhaltige Unternehmen kümmern sich um die Umwelt nicht nur dadurch, dass sie negative Auswirkungen verringern. Vielmehr vermeiden sie negative Auswirkungen bereits durch die Steuerung ihrer Produktionsprozesse. Das zeigt das Beispiel der Backhausen interior textiles GmbH im österreichischen Hoheneich. Das Unternehmen hat spezielle Stoffe entwickelt, die Linie Returnity. Returnity sind die weltweit ersten umweltfreundlichen und wiederverwertbaren Flammhemmendstoffe aus Trevira CS, eine Weiterentwicklung dieser Hochwertfaser. Gemeinsam mit dem deutschen Umweltforschungsinstitut EPEA wurde auf Cradle-to-Cradle-Basis ein umweltfreundliches, chemisches Optimierungsverfahren entwickelt, das den ganzen Fertigungsprozess von Möbel- und Dekorstoffen umspannt. Chemisch bedenkliche Stoffe wurden durch umweltunbedenkliche ersetzt. Dadurch kann die Faser rückstandsfrei in einem technischen Wiederverwertungskreislauf zirkulieren. Returnity-Stoffe werden nach Gebrauch zurückgenommen und können ein neues Leben als neues Produkt beginnen.
Nachhaltige Unternehmen kümmern sich auch um biokulturelle Diversität, wie Barbara Fuchs ausführte, Dozenten im Van Riemsdijk Lehrstuhl für Unternehmertum an der Universität Liechtenstein. Biokulturelle Diversität umfasst die Vielfalt biologischer Arten und Ökosysteme und die Besonderheit kultureller Gruppen, die mit diesen natürlichen Ressourcen interagieren. Die Erosion der biokulturellen Vielfalt findet allerdings in vielen Ländern statt. Dabei werden die kommerzielle Nutzung dieser Vielfalt und ihre Erhaltung oft als Gegensatz gesehen. Das muss aber nicht der Fall sein.
Nachhaltigkeit braucht Transparenz
Informationstechnologien können helfen, Unternehmen nachhaltig zu machen, wie Daniel Schmid erläuterte, Chef Nachhaltigkeit des deutschen Softwaregigangen SAP. Nachhaltigkeit fängt mit der Schaffung von Transparenz an; nur wenn man weiß, wo man steht, kann man sich verbessern. Die ehrgeizigen Ziele, die mit der Wende zur Nachhaltigkeit verbunden werden, sind nicht durch Effizienzsteigerungen alleine zu erreichen. Die Dinge müssen auch anders getan werden. Deswegen ist Nachhaltigkeit ein starker Treiber für Innovation.
Grüne Logistik bietet dafür ein Beispiel, wie Thomas A. Weber erläuterte, Direktor des Instituts für Technologiemanagement und Unternehmertum an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne. Logistik umfasst das Management des Flusses von Gütern und Dienstleistungen von den Herstellern zu den Verbrauchern. Allerdings bleibt es oft ein aussichtsloses Unterfangen, ein hochleistungsfähiges Logistiknetz aufzubauen, dass die Gewinnziele des Unternehmens ebenso erreicht wie die Umweltziele. Denn der Wert nachhaltiger Ziele ist üblicherweise schwer zu quantifizieren. Die üblichen Standards zur Bewertung der Wertschöpfungskette müssen angepasst und erweitert werden, um die „grünen“ Ziele abzubilden. Wenn grüne Logistik nicht ausdrücklich Teil der Unternehmensaufgabe ist, dann ist sie Teil der sozialen Verantwortung des Unternehmens. Sie wirkt sich positiv auf die Gesellschaft aus, indem sie etwa den Kohlendioxidausstoss, den Energieverbauch und den Abfall verringert. Die Unternehmen können ihre Produkte so gestalten, dass diese anspruchsvolle ökologische Ziele während ihres gesamten Lebenszyklus erreichen. Das kann die Lieferketten verändern und neue Technologien nutzbar machen.
Energieeffizienz kannibalisiert sich selbst
Allerdings werden die geringen Resultate auch rasch wieder verloren, wie Horace Herring ausführte, Gastforscher der Design Group an der Open University. Zwar sei Energieeffizienz in den vergangenen Jahrzehnten stark gefördert worden. Aber sie hat nicht die versprochenen Einsparungen gebracht. Denn während der Energieverbrauch örtlich verringert werden konnte, ist er auf nationaler Ebene weiter gewachsen, trotz stark gestiegener Energieeffizienz. Denn die finanziellen Einsparungen wurden für einen erhöhten Verbrauch genutzt. Im Grunde genommen hat die Energieeffizienz das Wirtschaftswachstum gefördert. Heute dagegen, in einem Zeitalter der Sparmassnahmen und geringen Wirtschaftswachstums, kann die Energieeffizienz helfen, eine stabile Volkswirtschaft zu erreichen. Sie könnte helfen, den Kohlendioxidausstoss der gesamten Volkswirtschaft zu verringern, indem sie den gesamten Fluss von Ressourcen verringert. Das braucht allerdings auch angemessene staatliche Massnahmen, etwa die Besteuerung des CO2-Ausstosses und die Förderung sozialer und technischer Innovationen.
Grüne Wirtschaft ist mehr als grüne Produkte
Dennis Pamlin, Director des UN Global Compact Projektes “Cluster des 21. Jahrhunderts” und Global Policy Advisor für die Globale e-Nachhaltigkeitsinitiative, hielt den Abschlussvortrag. Er legte dar, dass es nicht genug sei, nur Probleme zu lösen, um einen echten Wandel zu ermöglichen. Vielmehr habe eine neue industrielle Revolution begonnen, die wegführe von einer Volkswirtschaft, die auf die Produktion von Gütern und Dienstleistungen ausgerichtet ist, hin zu einer Volkswirtschaft, die sich an Lösungen orientiert. Umwelteffizienz ist dabei nur ein erster Schritt. Auch die Betrachtung der Lebenszyklen der Produkte gehört noch der „ersten Generation“ der grünen Wirtschaft an, ebenso wie umweltgerecht gestaltete Produkte. Die Entwicklung von Lösungen, die einen nachhaltigen Lebensstil stützen, bildet dagegen bereits den Beginn der „zweiten Generation“ der grünen Wirtschaft, ebenso wie die Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle. Die „dritte Generation“ der grünen Wirtschaft dagegen beginne, wenn neue Cluster rund um Zukunftsvisionen entwickelt werden. Diese Cluster werden durch ethische Überlegungen geprägt sein. Aber noch ist das Zukunftsmusik.