So wie Generationen in vielfältiger Beziehung zueinander stehen, hat auch der Generationenbegriff verschiedene Facetten. Er lässt sich zum einen im Sinne eines Generationenverhältnisses als «das öffentliche, mittels Recht durch den Wohlfahrtsstaat konstituierte Verhältnis zwischen anonymen Altersgruppen» verstehen, zum anderen im Sinne von Generationenbeziehungen als die «familiären Austausch- und Hilfebeziehungen zwischen Personen linearer Abstammungsfolge in der Familie.»
Spätestens seit Anfang der 1990er-Jahre lässt sich eine Diskrepanz beobachten zwischen den subjektiv positiv bewerteten familialen Mikrobeziehungen und den Spannungen zwischen den Generationen auf der Makroebene (z.B. Generationenvertrag, Rente). Damit stellt sich die Frage, «wie die Subjekte diese antagonistische Doppelstruktur der Generationenbeziehungen ausgestalten und welche Folgen sich darauf insbesondere für die Lebensentwürfe und Lebensplanungen der nachwachsenden Generation ergeben: Schlägt die Konflikthaftigkeit der Beziehungen in der Makroebene auf die Mikrobeziehungen durch und kann man berechtigterweise von einem Krieg der Lebensalter sprechen? Oder sind die personalen Generationenbeziehungen weiterhin von besonderer Qualität und sogar Harmonie gekennzeichnet?»
Subjektiv positiv bewertete familiale Mikrobeziehungen
Das Verhältnis der jungen Menschen mit der älteren Generation kann als sehr gut beschrieben werden, soweit es sich um Vater und Mutter handelt. Sowohl mit der Mutter als auch, in etwas geringerem Ausmass mit dem Vater, scheint die Beziehung intakt zu sein. 44 Prozent der Befragten geben an, mit der Mutter ein ausgezeichnetes Verhältnis zu haben respektive gehabt zu haben. Die Hälfte meint, dass sie gut miteinander auskommen, auch wenn es manchmal Meinungsverschiedenheiten gibt respektive gab. Lediglich 5 Prozent bezeichnet das Verhältnis als von häufigen Meinungsverschiedenheiten geprägt, 1 Prozent gibt an, dass das Verhältnis schlecht ist respektive war.
Mit dem Vater ist das Verhältnis nur unmerklich schlechter. Hier sind es 31 Prozent, die das Verhältnis als ausgezeichnet und 55 Prozent, die es als gut beschreiben. 8 Prozent geben an, dass sie sich oft nicht mit ihrem Vater verstehen bzw. verstanden haben. 6 Prozent bezeichnen das Verhältnis als schlecht.
Das gute Verhältnis zeigt sich auch bei den Antworten auf die Frage, ob man seine Kinder so erziehen würde, wie es die Eltern getan haben (siehe Tabelle 40). 19 Prozent würden es genauso machen, die grosse Mehrheit, 62 Prozent, ungefähr so. Lediglich 14 Prozent meinen, dass sie ihre Kinder anders erziehen würden, als es ihre Eltern gemacht haben. 4 Prozent würden es ganz anders machen.
«Würden Sie Ihre Kinder so erziehen, wie Ihre Eltern Sie erzogen haben, oder würden Sie es anders machen?»
Spannungen zwischen den Generationen auf der Makroebene
Geht die Frage weg vom konkreten Verhältnis mit den Eltern hin zu der Einschätzung des generellen Verhältnisses zwischen den Generationen, werden die Antworten der jungen Menschen deutlich skeptischer (siehe Tabelle 42). Zwar beschreibt ein Drittel der Befragten das Verhältnis zwischen jungen und alten Menschen als eher harmonisch. Ein Viertel der Befragten ist aber der Meinung, dass das Verhältnis eher angespannt ist. 31 Prozent sehen es weder harmonisch noch angespannt; 11 wählen die Antwortmöglichkeit «weiss nicht».
«Wie würden Sie das heutige Verhältnis zwischen jungen und alten Menschen beschreiben?» Ist es…
Noch skeptischer sind die jungen Menschen bei der Frage, wie sich das Verhältnis zwischen und jungen und alten Menschen entwickeln wird (siehe Tabelle 43). Hier sind mehr Befragte der Meinung, dass es sich verschlechtern wird (27 Prozent), als der Ansicht, dass es sich verbessern wird (23 Prozent). 27 Prozent der Jungen halten als Entwicklung am wahrscheinlichsten, dass die Beziehung zwischen Jung und Alt gleich bleiben wir. Eine grosse Anzahl an Befragten, 23 Prozent, ist sich bei dieser Frage unsicher und wählt die «Weiss nicht»-Kategorie als Antwort.
«Wie wird sich das Verhältnis zwischen jungen und alten Menschen entwickeln? » Wird es…
Schliesslich wird der demografische Wandel – dass immer mehr ältere und immer weniger junge Menschen in Liechtenstein leben – von den Befragten als grosses Problem eingeschätzt (siehe Tabelle 41). Nur 2 Prozent halten diese (projizierte) Entwicklung für kein Problem, ein Viertel für ein kleineres Problem. Die Hälfte ist hingegen der Meinung, dass dies ein grosses Problem darstellt, fast 20 Prozent sind sogar der Ansicht, dass es sich dabei um ein sehr grosses Problem handelt. Zu dieser Frage haben, im Vergleich zu den zwei vorherigen, auch fast alle Befragten eine Meinung; lediglich 4 Prozent wählen als Antwort «Weiss nicht».
«Es werden immer mehr ältere Menschen und immer weniger junge Menschen in Liechtenstein leben?» Halten Sie das für…
Exkurs: Generationen und Werte
Die Auseinandersetzung der Interviewten mit der älteren Generation lässt sich in zwei verschiedene Bereiche teilen: Zum einen handelt es sich um persönliche Erfahrungen der Jungen mit älteren Menschen im familiären und nachbarschaftlichen Umfeld. Zum anderen sind es die Meinungen der Jungen, die aufgrund selbst geführter oder zur Kenntnis genommener Diskussionen zur Altersversorgung und ihrer Zukunftsfähigkeit in Medien, Politik, am Arbeitsplatz oder in der Schule gebildet wurden.
Darüber wer nun «alt» oder gar «alt alt» ist, herrscht in beiden Gruppen keine Einigkeit. Als die «alten Alten» werden die Menschen von den Gesprächsteilnehmenden bezeichnet, die es «nicht mehr schaffen». Konkreter wird es bei der Diskussion um die Altersversorgung. Dort stehen der Sache gemäss die pensionierten Menschen im Fokus und Alt sein wird an den Austritt aus dem regulären Erwerbsleben gebunden. Hingegen spielt in der Alltagserfahrung der Jungen das Alter der Alten keine Rolle. Es sind dann einfach «die Grosseltern», «die Nana», «der Opa» oder «der pensionierte Vater», ohne Haare und mit Glatze, der nicht «richtig alt», aber «altmodisch» erscheint oder die Mutter, die «alt wirkt», wenn ein Programm am Computer erklärt werden muss.
In den Gesprächsrunden wird recht unterschiedlich über die älteren Menschen gesprochen, dabei kommen verschiedene Themen zur Sprache. In der ersten Gesprächsrunde kommt die Dimension ins Spiel, wenn Alte krank sind, sei dies körperlich oder psychisch. Im zweiten Gespräch wird als ein zusätzlicher Aspekt die Problematik von Erbschaften besprochen. Sei es, wenn ein Haus verkauft werden muss, damit das Geld für ein Auskommen reicht, wenn im Rechtstreit Familienangehörige Geld wollen oder wenn gar Fremde Böden erschleichen. Diese beiden Dimensionen lösen bei den Jungen emphatische Reaktionen aus, sie fühlen mit diesen meist persönlich bekannten Alten mit.
Herausforderung Altersversorgung und Altersvorsorge
Wird über die Zukunftsfähigkeit der Altersvorsorge, der Krankenkasse und die Finanzierung der alten Menschen gesprochen, fallen die Meinungen aller im Gespräch Beteiligten ähnlich pessimistisch aus. Woher das Geld für die künftigen Alten oder gar im eigenen Alter kommen soll, ist unklar und unsicher. Unausweichlich scheint auf alle Jungen ein grosser Mehraufwand an Arbeit und Abgaben zuzukommen. Das stimmt sie nachdenklich. Konkrete Lösungsansätze werden keine diskutiert. Aber es wird deutlich, dass alle wissen, dass es eine ganzheitliche Auseinandersetzung zur Altersvorsorge und Finanzierung der älteren Generationen braucht.
«Also, ich glaube, das erlebe ich nicht, wenn es überhaupt passiert. Wenn unsere Welt nicht vorher kaputtgeht, muss man sagen. Nein. (lacht) Also, ich bin dort nicht so optimistisch. So unter Kollegen, wir sind so zwischen 20 und 25 und wir sind alle so ein bisschen: Ja, ja, wir müssen sowieso ackern bis zum Ende.»
«Wir haben zum Beispiel in der Schule gehabt, dass es halt zum Beispiel gewisse ältere Leute gibt, die nicht damit einverstanden sind, dass man was ändert, wenn sie zum Beispiel ein bisschen weniger bekommen und so. Also, wir denken dann halt auch meistens: Das kann es ja nicht sein. Weisst du? Man muss auch mehr bezahlen, wir müssen uns auch anpassen. […] Also, klar sollten sie auch genug Geld haben, sodass sie gut leben. Das finde ich schon. Aber man fragt sich dann, ob bei uns überhaupt noch etwas übrig bleibt oder wie es dann dort ausschaut. Weil wir sind halt schon eher pessimistisch eingestellt […] man streicht jetzt schon und man hat kein Geld mehr. Also, woher sollte das Geld kommen? Das muss man ja irgendwoher holen.»
Die Jungen zeigen im Gespräch in der Regel grosses Verständnis für die Alten und deren Ansprüche, die sie für berechtigt halten. Es kommt keine generelle Missgunst oder gar der Vorstoss zu einem rigorosen Sparen bei den Alten zur Sprache. Der Wohlstand im Lande wird als Ertrag der Arbeit der älteren Generation betrachtet und wert geschätzt. Es wird aber betont, dass die Jungen heute auch Unterstützung benötigen, damit sie gute Jobs kriegen, verdienen und selbst etwas auf die Beine stellen können. Erst so könnten sie überhaupt zur weiteren Wohlfahrt beitragen. Die Jungen sehen in dieser Diskussion um die Vorsorge und Versorgung der Alten, dass es eine enorme Herausforderung für alle ist, wenn eine adäquate Finanzierung aufrechterhalten werden soll.
«Es muss geändert werden, aber nicht nur in Liechtenstein. Das ist eine internationale Sache.»
In der ersten Gruppe wird die künftige Herausforderung der Altersfinanzierung noch um eine Dimension erweitert, die wiederum pessimistisch geprägt und fast schon niederschmetternd ist. Die Umweltveränderungen und damit einhergehende drohende klimatische Katastrophen beeinflussen die Sichtweisen der Jungen, sie führen zu einer fatalistischen Haltung, die Fragen des eigenen Altwerdens überlagert. Somit wird die meist noch fast 50 Jahre in der Ferne liegende eigene Pensionierung völlig irrelevant, wenn vorher eines der drohenden Szenarien eintreffen sollte.
«Ich habe das Gefühl, die Umweltbelastung wird halt schlimmer und es kommen alle diese Katastrophen. Ja, bis ich alt bin, ist es dann vielleicht sowieso so, dass wir gar nicht mehr so eine Möglichkeit haben mit dem Geld. Es ist 50 Jahre weg. Was will ich jetzt schon darüber nachdenken, wenn sie sowieso jetzt sagen: 2050 sind sowieso keine Fische mehr im Meer? (lacht) Ja, was ist dann 2060? [...] Wenn es uns schon dann schlecht geht [...] dass uns das Geld dann gar nicht mehr so gross interessiert.»
«Ja, und ich habe auch das Gefühl, uns wird irgendwie Angst gemacht. Ich weiss auch nicht. Wir werden keine Rente mehr haben, man kann arbeiten, bis man tot umfällt und es wird die Welt sowieso untergehen, bevor wir sterben. [...] Es gibt so viele Leute, die einfach sagen, 2050 wird das und das eh schon passiert sein. Und man braucht euch dann gar nicht mehr, weil dann arbeiten schon Computer. Es gibt so viele Spekulationen und so. Klar beschäftigt es einem, weil wenn immer nur so negatives Zeug kommt, fragt man sich dann schon: Ja, was soll ich tun? Und irgendwann schaltest du einfach ab.»
Mit einer pessimistischen, fatalistischen und niedergeschlagenen Grundstimmung sind sich somit die Jungen einig, dass die Generationenfrage systemisch und strukturell diskutiert und gelöst werden muss. Sie nehmen die Meldungen und Diskussionen zum demografischen Wandel, die Stimmen und die Stimmungen in ihrem Umfeld in Politik, Medien, Schule und Betrieb auf, distanzieren sich und sind ob der grossen Bedrohung überfordert. Die Jungen werden bei diesem Thema weder aktiv noch mischen sich in die politischen Diskussionen ein. Dazu kommt, das eigene Altwerden ist den Jungen noch zu fern.
Alltagskontakte mit der älteren Generation innerhalb der Familie
Die finanziellen Sorgen und gesellschaftspolitischen Debatten ums Altwerden berühren die eigenen, persönlichen Erfahrungen mit Alten kaum. Diese Kontakte sind meist eher unbeschwert. Sie sind unterschiedlich geprägt. Vorherrschend und bedeutsam ist der Kontakt innerhalb der eigenen Familie mit den Grosseltern, sofern sie noch am Leben sind. Dabei gibt es vor allem Berührungspunkte im Alltag, etwa mit der Nana, die täglich am gemeinsamen Abendessen teilnimmt und als Familienmitglied mit all ihren positiven und negativen Aspekten wahrgenommen wird oder die Grosseltern, die regelmässig besucht werden.
«Also, bei mir ist es so, meine Nana lebt in der Wohnung unter uns. Und sie kommt jeden Tag rauf und sie isst jeden Tag mit uns. Und irgendwann muss ich sagen: Du hast dann zwei Mamas und noch einen Papa. Aber es ist schon schön. Wenn wir es gut haben, ist es schön, mit ihr zu reden. Und sie erzählt ja noch von früher.»
In diesem Zusammenhang werden einige der Jungen oft von einem schlechten Gewissen und Schuldbewusstsein geplagt, das ihnen sagt, dass sie die Grosseltern zu wenig oft besuchen und zu wenig Zeit mit ihnen verbringen. Diese Jungen bewegen sich in einem ständigen Zwiespalt zwischen dem moralischen Druck der Pflichterfüllung, der fehlenden Zeit wegen der vielen anderen Verpflichtungen und Pläne sowie dem Wissen, dass ein Besuch meist positiv erlebt wird, kommt er denn zustande.
«Ich habe immer wieder vor, meine Nana wieder zu besuchen, mache es aber eigentlich nie. […] Ich setze mich eigentlich zu wenig mit älteren Generationen auseinander.»
«Ich habe es eigentlich schon immer gut, wenn ich bei ihr bin. Und sie hat sehr interessante Perspektiven oder sie kann viel erzählen, sie hat viel erlebt. Es wäre eigentlich etwas, das mich schon auf eine Art interessieren würde, wo ich vielleicht sehr viel erfahren würde [...] vielleicht auch ein bisschen übers Leben, was auch immer [...] Vielleicht setze ich es dann einfach zu wenig um oder so. Es ist immer der Wunsch da.»
«Ich habe auch mit Nani und Neni Kontakt, die wohnen direkt neben uns. Und das ist halt aber eigentlich so: Obwohl sie neben uns wohnen, sieht man sie eigentlich nicht so oft. Es ist eigentlich voll traurig. Man wohnt nebeneinander, aber man hat so wenig Kontakt. […] Aber sie freuen sich immer brutal, wenn sie halt Kontakt haben. […] Und dann denkt man manchmal schon: Ja, eigentlich ist es wirklich traurig. Man wohnt nebeneinander und findet eigentlich nie Zeit, obwohl es eigentlich wichtig wäre. […] Und dann denke ich mir auch immer: Eigentlich kann es so schnell gehen. Und man hofft es zwar nie. Aber jetzt halt gerade, wenn es Neni in der letzten Zeit nicht so gut gegangen ist, hat man halt auch nicht gewusst, ob es aufs Mal vorbei ist. Und dann denkt man sich halt nachher: Oh, man ging ihn trotzdem nie besuchen. Und eigentlich sollte man die Zeit ja schon nutzen, die man mit ihnen hat.»
Gemäss der Erfahrung der Jungen übernehmen in diesen familiären generationenübergreifenden Gesprächen meist und auch sehr gerne die Älteren die Gesprächsleitung, indem sie erzählen und fragen. Die als typisch wahrgenommenen Fragen und Kommentare betreffen die Körpergrösse («wie gross bist du geworden»), Ähnlichkeiten zu Verwandten, Ausbildung, gefolgt von verschiedenen Erzählungen zu ganz unterschiedlichen Themen oder von Ausführungen zu aktuellen Krankheiten.
Neben diesen Schilderungen der persönlichen Beziehungen mit nahen Verwandten, gibt es in den Gruppengesprächen keine Hinweise auf Kontakte mit anderen älteren Personen. Erst auf Nachfrage wird im zweiten Gespräch noch betont, dass alle Menschen, die offen sind in ihrer Haltung wohl regelmässig mit ganz unterschiedlichen Altersgruppen in Kontakt kommen.
«Also, man kommt in Kontakt, weil man sich nicht dagegen wehrt, in Kontakt mit alten Leuten zu kommen. Vor allem, in einem so kleinen Land. [...] Oder auch in einer Grossstadt kommt man in Kontakt mit alten Leuten, egal, was man macht.»
Damit wird der Grundton der beiden Gespräche gut zum Ausdruck gebracht, nämlich, dass die Berührungspunkte über Generationen hinweg im eigenen individuellen, familiären Alltag mit den ganz unterschiedlichen Facetten als ein selbstverständlicher Teil wahrgenommen werden.