Rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich vergangenen Donnerstag im grossen Saal des SAL/Schaan ein, um von namhaften Expertinnen und Experten erstmals detaillierter über die Inhalte des geplanten «Blockchain-Gesetzes» informiert zu werden. Als eines der wenigen Länder weltweit, hat sich das Fürstentum Liechtenstein der Herausforderung gestellt, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die die «Token-Ökonomie» fördern und gleichzeitig Nutzern dieser Technologie einen adäquaten Schutz bieten sollen. Damit übernimmt das Fürstentum eine Vorreiterrolle, wenn es darum geht, Rechtssicherheit sowohl für die Transformation der «realen» Welt auf ein Blockchain-System als auch bei der Übertragung von digitalen Abbildungen von Vermögenswerten, zu schaffen.
Dr. Thomas Dünser, Ministerium für Präsidiales und Finanzen, informierte zunächst über die Eckpunkte des Gesetzes. Auch wenn gemeinhin von «Blockchain-Gesetz» gesprochen wird, wies Dr. Dünser darauf hin, dass das Gesetz nur von «VT-Systemen», also Systemen, die auf vertrauenswürdigen Technologien basieren, spricht. Mit dieser technologieneutralen Terminologie soll eine zukunftssichere rechtliche Grundlage geschaffen werden, die auch künftige Entwicklungen in diesem Bereich abdeckt. Was genau unter «Token» zu verstehen ist, erklärte Mag. Thomas Nägele, Rechtsanwalt bei Nägele Rechtsanwälte GmbH in Vaduz. Beachtenswert sei, dass Liechtenstein, anders als in anderen Ländern, keine gesetzliche Klassifizierung von Token, sondern ein neues Rechtsinstitut zur Verkörperung von Rechten aller Art verankert habe. Dr. Thomas Kuhn, Rechtsanwalt bei Zulauf Partner Rechtsanwälte in Zürich, ging ausführlich auf die mit Token zusammenhängenden Verfügungsfragen ein. Besitz und Eigentum seien grundlegende Denkfiguren des Vermögensrechts, ob diese auf die Kryptowelt übertragbar sind, sei eine der zentralen Fragen, liess Kuhn wissen.
Mit Spannung wurde auch das Referat von lic.iur. Patrick Bont, Leiter Bereich Banken bei der liechtensteinischen Finanzmarktaufsicht, über Abgrenzungsfragen zur Finanzmarktgesetzgebung erwartet. Dabei wies er ausdrücklich darauf hin, dass, wenn es Berührungspunkte zur Finanzmarktregulierung gibt, das Finanzmarktrecht stets dem VTG vorgehe. Welche Aufgaben und Kompetenzen auf die Finanzmarktaufsicht künftig zukommen werden, legte Dr. Judith Sild, Assistenzprofessorin am Propter Homines Lehrstuhl der Universität Liechtenstein, im Rahmen ihres Referates «Registrierungs- und Aufsichtsmodell» eindrücklich dar. Diese werde für die Vornahme und Löschung von Registrierungen, sowie Führung des VT-Dienstleisterregisters zuständig sein. Allerdings gelte künftig nur für gewisse VT-Dienstleister, wie etwa Token-Emittenten, VT-Protektoren oder auch VT-Wechselstubenbetreiber, eine Registrierungspflicht. Token-Erzeuger, VT-Prüfstellen sowie VT-Preisdienstleister hingehen können sich freiwillig bei der FMA registrieren lassen. Zur «Freiwilligkeit» merkte Sild kritisch an, dass damit aber das staatliche Momentum wegfalle, da ohne Registrierung auch der «Qualitätscheck» fehle. Offen sei ausserdem, ob die Finanzmarktaufsicht bei der Prüfung von VT-Dienstleistern europäische Standards anwenden könne – Stichwort «Fit & Properness». Dennoch zeigte sich die Referentin zuversichtlich und schloss ihre Ausführungen mit den Worten: «Wer, wenn nicht die FMA.».
Vor der Mittagspause erläuterte Dr. Stephan Ochsner, Ochsner Consulting Est., die mit der Token-Ökonomie zusammenhängenden Sorgfaltspflichten. Die Regierung sei sich bei Erarbeitung des Gesetzes bewusst gewesen, dass «die Vorteile einer Token-Ökonomie, insbesondere die Verkörperung von Rechten an Vermögenswerten, und die effiziente Übertragung dieser Rechte, durchaus auch neue Möglichkeiten zur Geldwäscherei eröffne, die bisher nicht in dieser Form möglich waren.», so Ochsner. Die Blockchain-Technologie und damit verbundene Finanzdienstleistungen hätten zweifelsohne grosses Geschäfts-, aber auch ein entsprechendes Missbrauchspotenzial, daher dürfe «weder blind nach vorne marschiert, noch das Kind durch eine unnötig restriktive Praxis mit dem Bad ausgeschüttet» werden, so der Referent.
Den Nachmittag eröffnete Mag. Bianca Lins, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Propter Homines Lehrstuhl, mit ihren Ausführungen zu den Auswirkungen des «Blockchain-Gesetzes». Vorgaben für ICOs, Sicherungsanforderungen, sowie Wechselstuben, Kryptobörsen und sog «Stable Coins» wurden im Lichte des Gesetzesentwurfes erörtert. «Mit Bestimmungen wie den Pflichten zur Veröffentlichung von Basisinformationen oder auch der Aussonderung von Token im Konkursfall des VT-Protektors sind wichtige Schritte in die richtige Richtung gesetzt», so Lins im Hinblick auf den Schutz für Nutzer. Wie nun die Tokenisierung rechtlich in der Praxis aussehen werde, zeigten im Hinblick auf Rechte an Sachen MMag. Dr. Thomas Feldkircher, Nägele Rechtsanwälte GmbH, sowie im Hinblick auf Wertpapiere Dr. Cornelia Stengel, Rechtsanwältin bei Kellerhals Carrard in Zürich. Feldkircher erläuterte dabei insbesondere die wichtige Tätigkeit des Physischen Validators, dessen Hauptaufgabe in der Herstellung einer Verbindung zwischen Sache und Token sei und damit die «offline»-Welt mit der Welt «online» verknüpfe. Stengel zog nach ihren Ausführungen zu Wertpapieren und Wertrechten auf VT-Systemen ein erstes Fazit von «aussen»: Vor allem die Einführung von Wertrechten werde einen grossen Einfluss haben, noch gäbe es aber einige offene Fragen, etwa hinsichtlich der Koordination mit gesellschaftsrechtlichen Regeln. Fast schon emotional ging Dr. Thomas Nigg, Rechtsanwalt und Treuhänder in Vaduz, auf die Rolle des Token-Emittenten und die dafür gesetzlich vorgesehenen Bestimmungen ein. Viele der Token-Emittenten hätten – noch – keine Erfahrungen mit finanzmarktrechtlichen Vorschriften wie dem Sorgfaltspflichtgesetz, weshalb hier besondere Achtsamkeit erforderlich sei.
Ein Bild des «Internet of Things», und unserer Zukunft auf der Blockchain, zeichnete Peter Schnürer, Chief Digital Officer bei Inventx AG in Chur: «Maschinen werden selbständig Geldtransaktionen tätigen, sie werden neue Wirtschaftskreisläufe bilden.». Bis zum Jahr 2020 werden bereits 20 Milliarden Geräte nicht nur mit dem Internet verbunden sein, sondern auch miteinander kommunizieren. «Es wird möglich sein, dass unsere Maschinen im Millisekunden-Takt unsere Verträge ändern oder wechseln, daher werden wir Stable Coins brauchen.» so Schnürer mit Blick auf das liechtensteinische Gesetz, das «Machine to Machine» Transaktionen explizit berücksichtigt. Auch einen kleinen Blick in die Zukunft gab Peter Schnürer den Tagungsteilnehmern mit: Bis 2025 werden Zentralbanken und Regierungen Krypto-Coins ausgeben, staatliches Geld werde in seiner Funktion an Bedeutung verlieren und durch hochliquide, digitale Assets teilweise ersetzt werden.
Ähnliche Ansichten vertrat auch Mauro Casellini, Leiter Firmenkunden und Zahlungsdienstleister bei Bank Frick & Co. AG in Balzers, die sich schon früh mit dem Thema Blockchain und Banking auseinandergesetzt hat. «In 10 Jahren wird hoffentlich jede Bank eine Kryptobank sein.» eröffnete Casellini. Das Spektrum einer Blockchain Bank sei gross – von Zahlungsdiensten über die Emission von strukturierten Krypto-Finanzprodukten bis hin zu Krypto-Storage-Lösungen, gäbe es schon heute eine Vielzahl interessanter Dienstleistungen. Prof. Andreas Furrer, Universität Luzern, verdeutlichte die rechtlichen Rahmenbedingungen des Gesetzesentwurfes für Smart Contracts mit praktischen Anwendungsfällen. Mit seinem Resümee, dass mit dem Entwurf ein stabiles Fundament gebaut wurde, nun aber noch an einigen Details gefeilt werden müsse, zeigte er sich vorsichtig optimistisch.
In einem letzten Referat gab Prof. Dr. Raschauer, einen Ausblick auf das EU-Finanzmarktrecht im Zusammenhang mit einer europäischen Blockchain-Regulierung. Ernüchterndes Fazit: Noch gäbe es keine nennenswerten Regelungen betreffend Blockchain-basierter Dienstleistungen auf EU-Ebene. Zwar seien erste Ansätze erkennbar, die bislang veröffentlichten Pläne der EU-Kommission würden aber eher einem «Flickwerk» gleichen.