Die Einführung des automatischen Informationsaustauschs und die Erfüllung der Anforderungen des BEPS-Projekts stellen Hong Kong und Singapur vor grosse Herausforderungen.
Anlässlich der Studienreise nach Hong Kong und Singapur vom 11. bis 17. Oktober 2015 konnten 22 Studierende des Executive Master-Studiengangs (LL.M.) in International Taxation der Universität Liechtenstein zusammen mit Studiengangsleiter Prof. Dr. Martin Wenz auch über aktuelle Fragen der Internationalen Steuerpolitik mit Vertretern der Steuerverwaltungen von Hong Kong und Singapur diskutieren.
In verschiedenen Vorlesungen an der University of Hong Kong und der National University of Singapore, beides weltweit top-renommierte Universitäten, wurde von den dort lehrenden Professoren Cullen, Chow und Phua sowie von Praktikern ein Einblick in das nationale und internationale Steuerrecht beider Jurisdiktionen gegeben. Zudem zeigte Professor Wenz die globalen Entwicklungen und Herausforderungen der internationalen Steuerpolitik auf. In weiteren Diskussionen mit den Steuerverwaltungen, Professoren und Praktikern der beteiligten Jurisdiktionen zeigte sich, dass sowohl die Einführung des automatischen Informationsaustauschs (AIA) als auch die Erfüllung der Anforderungen des Base Erosion and Profit Shifting-Projekts (BEPS) der G20 und der OECD für Hong Kong und Singapur von besonderer Bedeutung sind und beide Jurisdiktionen vor grosse Herausforderungen stellen.
AIA: Liechtenstein ab 2017 – Hong Kong und Singapur erst ab 2018
Während die Finanzinstitute in Hong Kong die relevanten Informationen unter FATCA direkt an die USA rapportieren (FATCA Modell 2), erfolgt dies in Singapur – wie auch in Liechtenstein – über die jeweiligen nationalen Steuerverwaltungen (FATCA Modell 1). Da der global angelegte Common Reporting Standard (CRS) der OECD die automatische Übermittlung der Finanzinformationen ebenfalls über die jeweiligen nationalen Steuerverwaltungen vorsieht, müssen von der Sonderverwaltungszone Hong Kong zunächst die hierfür erforderlichen gesetzlichen, aber auch die dafür notwendigen, bislang nicht vorhandenen informationstechnischen Voraussetzungen geschaffen werden. Für Doris Lee, Commissioner der Regierung von Hong Kong, kann der AIA entsprechend dem globalen Standard daher nicht vor 2018 eingeführt werden. Demgegenüber stellt die Einführung des AIA für Singapur im wesentlichen „nur“ eine globale Fortentwicklung von FATCA dar, soll dessen ungeachtet aber auch erst ab 2018 erfolgen.
Studierende des LL.M. in International Taxation mit Daniel Fung, Assessor, und Doris Lee, Commissioner der Regierung von Hong Kong, sowie Prof. Dr. Martin Wenz, Universität Liechtenstein
Zentrale Auswirkungen von BEPS auf Hong Kong, Liechtenstein und Singapur
Während man sich in Hong Kong noch vergleichsweise wenige Gedanken zur Erfüllung der Anforderungen aus dem BEPS-Projekt macht, beobachtet die Steuerverwaltung sowie die Wissenschaft und Praxis in Singapur diese Entwicklung mit grossem Interesse, aber auch mit grosser Sorge. Das Steuersystem in Singapur beinhaltet – ganz anders als in Liechtenstein nach dem neuen und insoweit auch zukunftsgerichteten Steuersystem – insbesondere für Unternehmen, Vermögens- und Investmentstrukturen zahlreiche Vergünstigungen, um die Wettbewerbsfähigkeit gezielt zu fördern und ausländische Ansiedlungen konkret zu attrahieren: Konkret werden oder können verschiedene unternehmerische Tätigkeiten sehr unterschiedlich besteuert werden.
Wai Yee Chow, Commissioner, und Yean Tze Wai, Director der Regierung von Singapur, bekräftigten dementsprechend, dass Singapur alle diese Entwicklungen sehr intensiv verfolge, hierauf aber – wie Liechtenstein und andere Kleinstaaten auch – selbst keinen Einfluss nehmen kann. Trotz der mit den Steuervergünstigungen verbundenen Substanzanforderungen befürchtet man aber, dass das gegenwärtige Steuersystem von Singapur in dieser Form nicht weitergeführt werden kann. Konkret werde man versuchen, die Anforderungen des BEPS-Projektes bestmöglich umzusetzen, wobei – soweit dann noch überhaupt möglich – die Gewährung steuerlicher Incentives für substanzielle wirtschaftliche Aktivitäten im Inland für Singapur auch weiterhin ein zentrales Thema zur wirtschaftlichen Fortentwicklung darstellen soll.
Studierende des LL.M. in International Taxation mit Prof. Dr. Martin Wenz, Universität Liechtenstein, Prof. Dr. Stephen Phua, National University of Singapore, Wai Yee Chow, Commissioner, und Yean Tze Wai, Director der Regierung von Singapur (v. l.)
Von Prof. Dr. Martin Wenz, Universität Liechtenstein, Vaduz
Professor für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, Internationales und Liechtensteinisches Steuerrecht am Institut für Finanzdienstleistungen an der Universität Liechtenstein, Vaduz