Kommentar von Francesco Schurr.
Das Stiftungswesen boomt derzeit europaweit aus den verschiedensten sozialen und wirtschaftlichen Gründen. Im Bereich der Gemeinnützigkeit lässt sich die hohe Zahl an Stiftungsneugründungen und Zustiftungen damit erklären, dass sich die öffentliche Hand vieler EWR-Staaten – wegen angespannter budgetärer Umstände – zunehmend aus typischen staatlichen Handlungsbereichen wie Kultur, Wissenschaft, Kunst, usw. zurückzieht. Dies ist eine Chance für Stifter.
Wettbewerb der Rechtsordnungen und Foundation Governance
Der Wettbewerb zwischen den Stiftungsrechtsordnungen in Europa spielt sich nicht nur auf steuerlichem, sondern insbesondere auch auf privatrechtlichem Terrain ab. Fragen der Governance treten in jüngster Vergangenheit hierbei zunehmend in den Vordergrund. Vergleicht man das neue liechtensteinische Stiftungsrecht mit anderen Stiftungsrechtsordnungen in Europa, so fällt die enorme Bandbreite der für eine optimale Governance zur Verfügung stehenden Mechanismen auf. Die internen und externen Aufsichtsstrukturen wurden im Zuge der Totalrevision des Stiftungsrechts, die 2009 in Kraft getreten ist, wesentlich optimiert.
Neue Gesetzgebung zur Protected Cell Company (PCC)
Das stete Bestreben Liechtensteins, sich im Wettbewerb der Rechtsordnungen zu behaupten, hat zu einer jüngsten Anpassung im Gesetz geführt, nämlich der Einführung der am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsform der segmentierten Verbandsperson. Es war Ziel des liechtensteinischen Gesetzgebers, ein Instrumentarium zu schaffen, mit dem Stiftungen, insbesondere im gemeinnützigen Bereich, in Segmente aufgeteilt werden können. Hierbei bleiben die einzelnen Segmente voneinander getrennt, womit die Haftung grundsätzlich auf diese Segmente beschränkt ist. Neben den gemeinnützigen Stiftungen können auch andere juristische Personen segmentiert werden. Zu nennen sind Verbandspersonen, die Beteiligungen an Unternehmen erwerben, verwalten und verwerten, IP-Rechte verwerten bzw. im Bereich von Einlagensicherungs- und Anlegerschutzsystemen tätig sind.
Transparenz und Gläubigerschutz
Der liechtensteinische Gesetzgeber hat bei der Einführung der PCC darauf geachtet, dass mithilfe hoher Transparenz ein beachtliches Niveau an Gläubigerschutz sichergestellt ist. So sind Gläubiger explizit darauf hinzuweisen, dass es sich um eine segmentierte Verbandsperson handelt und dass die Haftung dementsprechend auf ein Segment beschränkt ist. Wird den im Gesetz festgeschriebenen Transparenzerfordernissen nicht entsprochen, kann sich die Stiftung haftungsmässig nicht auf die Segmentierung berufen.
Protected Cell Company vs. klassiche Dachstiftung
Im Philanthropiesektor ergibt sich nun für Liechtenstein die Möglichkeit, eine kosteneffizient arbeitende Dachstiftung zu errichten, innerhalb welcher viele gemeinnützige Projekte unter den jeweiligen einzelnen – haftungsmässig separierten – Segmenten tätig sind. Im Gegensatz zu den in Deutschland, der Schweiz und darüber hinaus bekannten Dachstiftungen besteht eine echte Haftungstrennung, wodurch die segmentierte gemeinnützige Stiftung eine sehr attraktive Rechtsform darstellt. Insoweit ist die Einführung der PCC ein enormer Wettbewerbsvorteil für das liechtensteinische Recht. Die PCC ist daher ein zentraler Meilenstein auf dem Weg Liechtensteins, sich zu einem führenden Philanthropie-Hub zu entwickeln.
Zwischenbilanz
Freilich muss nun abgewartet werden, wie viele Protected Cell Companies und insbesondere Protected Cell Foundations im Laufe der kommenden Monate und Jahre in Liechtenstein errichtet werden. Jedenfalls kann als Zwischenbilanz jetzt schon angemerkt werden, dass die neuen liechtensteinischen gesetzlichen Vorschriften im Ausland grosse Beachtung gefunden haben und Rechtsberater aus dem Ausland mit Bewunderung – und vielleicht etwas Neid – auf Liechtenstein blicken, wo die Errichtung einer Stiftung mit interner Haftungssegmentierung ohne grössere bürokratische Hürden möglich ist. Es ist nun Aufgabe der Akteure am Finanzplatz, sich über mit den Vorzügen der hiesigen Protected-Cell-Company-Gesetzgebung vertraut zu machen und diese Vorzüge entsprechend an das Ausland zu kommunizieren. Einen Erfahrungsaustausch zu diesem spannenden Thema mit nationalen und internationalen Experten u.a. aus Malta und Guernsey sowie die Einsatzmöglichkeiten für diese Rechtsform bietet der 8. Liechtensteinische Stiftungsrechtstag, der am 20. Oktober 2015 an der Universität Liechtenstein stattfindet, an.
Autor:
Francesco Schurr ist Inhaber des Lehrstuhls für Gesellschafts-, Stiftungs- und Trustrecht am Institut für Finanzdienstleistungen der Universität Liechtenstein.