uni.liThemaFinance«Einlagensicherung – Seiltanz mit Netz und doppeltem Boden?»
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«Einlagensicherung – Seiltanz mit Netz und doppeltem Boden?»

Ganz im Lichte der Finanzmarktstabilität – Schwerpunkt: Einlagensicherung und Anlegerentschädigung – stand das vierte Bankrechtsforum, das am 8. 5. 2018 an der Universität Liechtenstein ausgetragen wurde. Der Propter Homines Lehrstuhl für Bank- und Finanzmarktrecht lud in Kooperation mit der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein und dem Liechtensteinischen Bankenverband zur gestrigen Vortragsreihe ein.

Die Einlagensicherung stelle ein «Sorgenkind» der Bankenunion dar. Mit dieser Ansage eröffnete Ass.-Prof. Dr. Judith Sild gemeinsam mit Mag. Bianca Lins, beide Mitarbeiterinnen am Propter Homines Lehrstuhl, die Tagung, um einen Überblick über ausgewählte, für den Bankensektor brennende aktuelle legistische Fragestellungen zu geben. Die Frage nach der Vollendung der Kapitalmarktunion könne, trotz „sportlicher Ankündigungen“ der Europäischen Kommission, die auf eine Vollendung bis 2019 drängt, derzeit nicht seriös beantwortet werden. Aktionspläne in den Bereichen FinTech und nachhaltige Finanzierungen sowie eine Reihe von Legislativvorschlägen sollen zu einer beschleunigten Umsetzung der Kapitalmarktunion beitragen, wiewohl der Erfolg von der technischen Ausgestaltung der einzelnen Massnahmen abhängig sei. Ebenso beschäftigte die Teilnehmenden ein Legislativvorschlag der EU-Kommission zur Regulierung gedeckter Schuldverschreibungen (Richtlinienvorschlag COM (2018) 94 final vom 12. März 2018), der ein neues «Sicherungsnetz» mit konkretisierten Qualitätsstandards etablieren soll.

Als Co-Organisator informierte lic. oec. Rafik Yezza, stv. Geschäftsführer des Liechtensteinischen Bankenverbandes, in seiner Funktion als Sekretär der EAS Liechtenstein, über den Entwurf für ein neues Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (EAG). Das Institut der Einlagensicherung als dritte Säule zur Sicherung der Finanzstabilität und als letztes Auffangnetz ist durch die DGSD II-RL 2014/49/EU massiven Änderungen unterworfen, die – so der fromme Wunsch – aufgrund fehlender Anlassfälle nur von theoretischer Bedeutung bleiben soll. Nichtsdestotrotz wird auch das liechtensteinische Einlagensicherungssystem durch verschärfte Kooperations- und Koordinationsvorgaben durch das anstehende Gesetzesvorhaben herausgefordert. Im ersten Quartal 2019 wird mit Inkrafttreten des EAG gerechnet.

MMag. Dr. Thomas Stern, MBA, Assoziierter Wissenschaftler der Universität Liechtenstein und senior specialist der FMA Liechtenstein, Bereich Banken, schloss sich dem Wunsch nach einer bloss akademischen Behandlung der Einlagensicherung an. Konkrete Beispiele am europäischen Markt zeigen jedoch, dass die Fragen der Einlagensicherung bedauerlicherweise nicht bloss theoretischer Natur sind. Szenarien aus Island, Lettland und Rumänien dienen gewissermassen als „Lerngeschenke“ für eine Fortentwicklung des Einlagensicherungsregimes, führen aber auch zum ernüchternden Befund, dass Sicherungsfälle bei systemrelevanten Banken mit den derzeit bestehenden regulatorischen Rahmenbedingungen nicht zu bewältigen sind. Möglichkeiten zur Bewältigung solcher systemrelevanter Ausfälle bestehen in alternativen Finanzierungsformen, die damit zur weitestgehenden Sicherheit der Finanzmarktstabilität beitragen können.

Mit einer nicht minder relevanten Schnittstellenproblematik zwischen CRD IV (RL 2013/36/EU) und BRRD (RL 2014/59/EU) setzte MMag. Dr. Matthias Wagner, stv. Leiter der Abteilung Aufsicht, Bereich Banken, FMA Liechtenstein und ebenfalls assoziierter Wissenschaftler der Universität Liechtenstein, fort und erläuterte die Wechselwirkungen zwischen aufsichtlichen Interventionsmassnahmen nach BankG/PGR und potenziellen Frühinterventionsmassnahmen nach BRRD bzw. SAG, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine Bank ausfallen könnte.

Der Rahmen wurde von Prof. Dr. Nicolas Raschauer, Lehrstuhlinhaber des Propter Homines Lehrstuhls, in Bezugnahme auf ausgewählte gerichtliche Entscheidungen und laufende Verfahren zum Themenbereich Finanzmarktstabilität geschlossen, aus denen unmittelbare Schlüsse für Massnahmen zum Erhalt der Finanzmarktstabilität gezogen werden können.

Der abschliessende Befund der Tagungsteilnehmer lässt sich wohl am besten in einer Metapher darstellen: Die Wahrung der Finanzmarktstabilität gleicht einem Seiltanz mit Sicherung, Netz und doppeltem Boden. Ein Absturz ist unwahrscheinlich; ein Aufprall dürfte in den überwiegenden Fällen wohl glimpflich verlaufen, doch in Abwandlung von «too big to fail», bleibt die Frage offen: «who is too big to fall?»