«Biocity Lindau» nannte sich das Projekt des Architektur- und Städtebauprofessors Peter Droege. Kernthema war die Analyse der vorhandenen städtebaulichen Probleme der bayerischen Stadt am Bodensee. In einem zweiten Schritt haben die Studierenden nachhaltige Lösungsvorschläge erarbeitet.
Architekturstudenten der Universität Liechtenstein entwerfen Gesamtlösungen für die Bodensee-Stadt
«Biocity Lindau» nannte sich das Projekt des Architektur- und Städtebauprofessors Peter Droege. Kernthema war die Analyse der vorhandenen städtebaulichen Probleme der bayerischen Stadt am Bodensee. In einem zweiten Schritt sollten die Studierenden nachhaltige Lösungsvorschläge erarbeiten. Wie vielseitig und kreativ die aussehen können, zeigen zwei Beispiele der Studenten Johannes Peter Steidl und Lucius Frick.
Vor-Ort-Analyse
«Zunächst einmal bin ich einige Male nach Lindau gefahren, um mir ein Bild von den Gegebenheiten vor Ort zu machen und mich in die Situation hineinzufühlen». So beschreibt Johannes Peter Steidl (23) seine Herangehensweise. In Lindau habe er viele Fotos gemacht und per Internet die regionale Presse verfolgt. Eines der Hauptprobleme und grössten Herausforderungen seien die brachliegenden Flächen rund um den Lindauer Hauptbahnhof und den ehemaligen Güterbahnhof im Stadtteil Reutin. Dort sieht der Student Handlungsbedarf. Da auf dem Lindauer Hauptbahnhof seit Jahrzehnten keine Güter mehr auf Schiffe verladen werden und das Gebiet für eine Stadterweiterung auf der Insel gut genutzt werden kann, hat sich der Student aus dem bayerischen Neunburg vorm Wald für eine Verlegung des Hauptbahnhofs von der Insel auf das Festland zum ehemaligen Güterbahnhof entschieden.
Johannes Peter Steidl: Modell der Lindauer Insel
Idee eines neuen Bahnhofs
Auf der Insel könne der derzeitige Bahnhof zurückgebaut und in eine S-Bahn Station umfunktioniert werden. Eine S-Bahn würde laut Steidl die Insel ideal mit dem neuen Hauptbahnhof verbinden. Auch die Lindauer Bevölkerung favorisiere einen neuen Bahnhof auf dem Festland an der Stelle, wo sich derzeit der alte Rangierbahnhof befindet. Das gehe eindeutig aus dem Bürgerentscheid vom 18. März 2012 hervor. Dennoch wolle niemand so ganz auf den Inselbahnhof verzichten, der die Touristen auf die Insel bringt. Jenseits des alten Rangierbahnhofs, zum Bodensee hin gelegen, befindet sich ein abgelegenes Naturschutzgebiet. Dorthin verirren sich nur selten Naturliebhaber und Erholungsuchende. Johannes Peter Steidl möchte rund um den neuen Bahnhof ein Gebiet als gemischte Wohn- und Gewerbezone erschliessen, das zusammen mit dem Naturschutzgebiet eine Symbiose eingehen soll. Sein Konzept beinhaltet den Rückbau des früheren Rangierbahnhofs bis auf vier Gleise. Auf den frei werdenden Flächen entlang der Schienen plant der Architekturstudent nun Bürogebäude. Diese könnten als bauliche Lärmschutzwand für das dahinter gelegene Wohngebiet dienen.
Blick vom Bodensee auf Wohn und Gewerbegebiet Lindau Reutin
Fussgänger freundlicher Stadtteil
Auf Höhe der ebenerdig verlegten Schienen soll es auch Parkmöglichkeiten geben. Darüber eine Fussgängerzone, die in der Verlängerung bis zum heutigen Berliner Platz vor dem Lindauer Einkaufszentrum reicht. In östlicher Richtung begrenzt ein Kunst- und Handelszentrum das neue Wohn- und Gewerbegebiet. In westlicher Richtung ein Museum. Mit diesem Projekt würde in Lindau wieder bezahlbarer Wohnraum entstehen und jungen Familien die Möglichkeit gegeben, sich in Inselnähe niederzulassen. Eine Mischnutzung für Wohnungen und Gewerbe trägt dem Nachhaltigkeitsprinzip Rechnung, denn alle Besorgungen liessen sich in diesem Viertel gut zu Fuss erledigen. Beim Modell der neuen Wohnblöcke hat sich Steidl an der Architektur der vorhandenen Wohnblöcke auf der Insel und deren Höhe orientiert. Um eine Durchdringung von Stadt und Natur zu gewährleisten, öffnet er die Wohnblöcke zum See hin und erlaubt so den freien Blick auf das Naturschutzgebiet.
Präsentation vor externen Experten und Dozierenden der Universität Liechtenstein
Unterschiedliche Schwerpunkte
Einen anderen Ansatz hat Lucius Frick (29) aus Schaan gewählt. Für ihn bestand die Kernfrage darin, wie er die Lindauer Insel erweitern und gleichzeitig den public flow, den Fluss über die gesamte Insel ausdehnen kann. «Momentan endet die Fussgängerzone am Bahnhof. Der Westen der Insel wirkt völlig isoliert und wird als Parkzone missbraucht.» Frick will mit seiner Idee den Lebensraum auf der Insel noch reicher gestalten und eine grössere Durchmischung von Jung und Alt sowie Wohn- und Gewerbeflächen erreichen.
Lucius Frick: Semesterpräsentation Architektur
Gute Verkehrsanbindung behalten
Auch er sieht Handlungsbedarf hinsichtlich des Inselbahnhofs. Da die Bahnlinie die Insel während der letzten 150 Jahre stark geprägt hat, will er ihn lediglich ganz nach Norden versetzen, aber keineswegs auf ihn verzichten. Interregionale Züge mit bis zu acht Waggons könnten dann noch problemlos ein- und ausfahren. Frei werdende Flächen könnten für eine Verlängerung der Maximilianstrasse und damit für eine Erweiterung der Fussgängerzone genutzt werden. Der Parkplatz im Nordosten soll einer Mischzone mit neuen Wohn- und Gewerbeflächen weichen.
Altstadterweiterung Lindau mit versetztem Inselbahnhof
Ort für Nischenstudien
Da, wo sich heute der alte Güterbahnhof auf dem Festland befindet, plant Frick einen Bahnhof, auf dem man von Expresszügen auf die Insel umsteigen kann. Südlich der Gleise könnte dann die Vision eines Universitätscampus’ Wirklichkeit werden. Nischenstudiengänge wie Umweltingenieurwissenschaften oder Informationswissenschaften werden in der unmittelbaren Region nicht angeboten und wären sicherlich gefragt, so Frick. «Lindau ist wirklich eine Stadt zum Verlieben. Ich habe mich mit meinem Konzept an der vorhandenen Architektur orientiert und versucht, das Stadtbild zu ergänzen, ohne Konflikte zu generieren», sagt der Architekturstudent, der über das Thema seine Abschlussarbeit verfasst hat.
Neues Bahnhofsareal Lindau-Reutin
Interesse bekundet
Sehr interessante Ansätze, fanden auch die Stadtplaner Lindaus, die zu den Endkritiken der Projekte in die Universität Liechtenstein eingeladen waren. Einziges Hindernis: Das Land, auf dem sich Bahnhofsareale befinden, gehört derzeit noch der Deutschen Bahn. Das hält zwar die Stadt selbst davon ab, dort Pläne zu schmieden, für liechtensteinische Arbeiten jedoch bietet dies einen willkommenen Fokus.