Die Politikwissenschaftlerin, Historikerin und Journalistin Dr. Regula Stämpfli referierte am zweiten Campus Gespräch über die Zukunft von Daten und Bürgerrechten. Sie zeigte auf, wie sie den aktuellen Umgang mit Daten einordnet und welche Forderungen sie an die zukünftige digitale Gesellschaft richtet.
Anhand des Beispiels eines schwarzen Schafs auf einer Wiese verdeutlichte sie, wie unterschiedliche Betrachtungsweisen zu völlig verschiedenen, vor allem aber reduzierten Ergebnissen führen. So erkennt etwa ein Philosoph noch das ganze Tier, ein Statistiker sieht nur noch die Mengeneinheit 1 und ein Mathematiker reduziert seine Erkenntnis auf die tatsächlich dem Betrachter zugewandte Seite des Schafs.
Stämpfli führte aus, dass die Wissenschaft seit der Aufklärung versucht, die komplexe reale Welt in vereinfachenden Modellen und Theorien abzubilden. Diese Modelle machen den Menschen messbar und ordnen ihn in Kategorien ein. Diese Kategorisierung lässt sich in Zahlen abbilden und definiert damit die Welt als Zahlenzustand. Zahlen jedoch „entleiben Menschen , Tiere und Umwelt“ erklärte Stämpfli, sie ersetzen Inhalte durch Klischees. Und 1000 Klischees werden über Plattformen wie Wikipedia zur allgemeingültigen Wahrheit.
Gesellschaftswandel durch Zahlen
Zahlen prägen aber auch die europäische Gesellschaft und das Bildungswesen, betonte Stämpfli. Es beginnt bei Ausweisen im Kreditkartenformat, die den Ausweisträger als Zahlenfolge abbilden. Und von Studierenden zu erzielenden ECTS entsprechen nicht nur ihrem Namen nach der Kreditlogik, sondern das System von Punkten, Schuld und Kredit führt nach Stämpflis Einschätzung zu wenig Erkenntnis, dafür zu einer hohen Verwaltungs- und Organisationskompetenz. „Studieren ist daher Arbeiten an der eigenen Kreditwürdigkeit“, erklärte die Vortragende. Aber die Vermessung der Welt in Zahlen habe nicht nur Folgen für das Bildungswesen, sondern auch für die Politik. Denn Algorithmen eigneten sich nicht für politische Debatten, diese seien aber grundlegend für eine Demokratie.
Regula Stämpfli leitete aus dieser Bestandsaufnahme einen Forderungskatalog für die zukünftige Gesellschaft ab: Sie verglich die aktuelle Situation mit der Zeit der Aufklärung und wollte deren Logik wieder aufnehmen. Abgewandelt vom damaligen Motto „Keine Steuern ohne Beteiligung“ verlangt sie „Keine Daten ohne Mitbestimmung“. Der Mensch als Datenkapital sei bereits heute Realität und sie sehe die Zeit für eine „Datentransaktionssteuer“ gekommen, um so allen ein bedingungsloses Grundeinkommen zu gewähren.
In der anschliessenden Gesprächsrunde mit Regierungschef Adrian Hasler und der Kuratorin des Kunstmuseums, Chistiane Meyer-Stoll, wies Hasler insbesondere auf das Spannungsfeld rund um den Datenschutz hin. So sei etwa Liechtenstein gehalten, die europäische Datenschutzgesetzgebung zu übernehmen, andererseits verlange die EU den automatischen Informationsaustausch, der die Bürger „bis auf die Unterhosen“ auszieht. Auf die Einflussmöglichkeiten der Kunst angesprochen, erklärte Meyer-Stoll, dass ein Grossteil der Informationen über Bilder vermittelt wird. Und da könne die Kunst mit ihrer langen Erfahrung der Bildanalyse helfen, diese mit eigener Kompetenz zu betrachten. Ausserdem liesse sich das Verschwinden der Grenze zwischen Öffentlichem und Privatem durch Kunstprojekt sicht- und erfahrbar machen.
Der spannende Abend endete beim Apéro, an dem angeregt weiter diskutiert wurde.