An der Universität arbeite ich sowohl in Forschung als auch Lehre im Themenbereich Handwerk. Meine Doktorarbeit untersuchte die Handwerksprozesse von Zimmerleuten und den Einfluss neuer Technologien auf ihre täglichen Aufgaben. Dabei interessierte mich, ob die Handwerkenden noch als «Handwerkende» oder eher als «Computerwerkende» angesehen werden können.
Gerade heute, zwischen KI-Diskussionen und Automatisierungsdebatten, halte ich Kreativität für eine absolut zentrale Kompetenz. Es spielt für mich kaum eine Rolle, ob jemand eine Handwerkslehre absolviert oder ein Studium abgeschlossen hat. Entscheidend ist, dass junge Menschen innovative Lösungen entwickeln können, die nicht in Lehrbüchern stehen, sei es in der Spenglerarbeit oder im Architekturstudium. Ich ermutige Studierende und junge Handwerkende immer, nach unkonventionellen Lösungen zu suchen. In meiner Lehre stelle ich deshalb bewusst offene Fragen, um die Lernenden aus ihrer gewohnten Umgebung herauszufordern. Entscheidend ist die Fähigkeit, Aufgaben zu lösen, die bisher noch nicht existieren – eine Kompetenz, die in Zukunft noch an Bedeutung gewinnen wird.
«Eine grosse Herausforderung unserer Zeit ist es nämlich, dass wir heute junge Handwerkende und Planende für einen Beruf ausbilden, dessen zukünftige Herausforderungen wir so noch gar nicht kennen», Dr. Wolfgang Schwarzmann.
Für mich sind Architekturstudierende und Handwerkende in Ausbildung unter einem Dach vereint, mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Bauablauf, den Materialien und dem Fachwissen. Ich bemühe mich, beiden Seiten gegenseitiges Verständnis zu vermitteln. Handwerkende sollen die ästhetischen Aspekte eines Bauwerks erkennen und Planende sollen baubare Lösungen entwickeln. In meiner Arbeit mit Lehrlingen und Studierenden baue ich eine starke Brücke zwischen beiden Disziplinen und mache sie mit den Kompetenzen der anderen Seite vertraut.
Mehr und mehr merke ich, dass ich niemals alle Facetten der Arbeit eines erfahrenen Zimmerers oder einer erstklassigen Zimmerin verstehe. Gerade wegen der eingeschränkten Dokumentierbarkeit dieser Prozesse ist die tiefe Einbindung der Handwerkenden in die Forschungsprozesse enorm wichtig. Mit ihrer täglichen Arbeit, mit ihrem Fachwissen über einen Baustoff, zu einem Material und den damit verbundenen Arbeitsschritten sind sie die Expert*innen der eigenen Disziplin. Diese Expertise stellt für mich den zentralen Aspekt einer guten Forschungsarbeit dar.
An einer Universität gibt es diesen einzigartigen Möglichkeitsraum, in dem genau solche Brücken zwischen Handwerkenden, Planenden und Studierenden in der Architektur aufgespannt, diskutiert und erklärt werden können.
Dr. Wolfgang Schwarzmann ist Post-Doc an der Universität Liechtenstein und forscht zur Digitalisierung im Handwerk, zur computergestützten Fabrikation im Holzbau sowie der Verbindung von Tradition und Technologie. Seine Lehre richtet sich sowohl an Architekturstudierende als auch Handwerkerinnen und Handwerker in Ausbildung.
Handwerk, Forschung und Lehre sowie Kreislaufwirtschaft wurden von Dr. Wolfgang Schwarzmann gemeinsam mit Prof. Dirk Hebel in einem Podcast thematisiert: https://heinze.podigee.io/122-new-episode