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Das unsichtbare Energiewunder

Fluid Glass ist ein Meilenstein in der Architektur und Energiegeschichte. Die Superfassade kann heizen, kühlen und Energie gewinnen, ohne dass man es ihr ansieht. Die zwanzigjährige Forschungsgeschichte findet nun international Anerkennung. Die Universität Liechtenstein hat den Lead.

von Nena Weibel

Es ist die erste Fassade, die alles kann. Mit Fluid Glass schwitzt man nicht, friert nicht und spart Energie. Und es ist auch die erste Fassade, die ästhetischen Ansprüchen gerecht wird. Zum ersten Mal in der Architekturgeschichte ist es gelungen, eine Glaskonstruktion mit dynamischem Speicher herzustellen. Und die Universität Liechtenstein mit Dietrich Schwarz als Initiator sind die ersten, die nun den Durchbruch geschafft haben.

Erster Prototyp

Die Geschichte des Fluid Glass liest sich wie die Lebensgeschichte des Architekten, der sie erfunden hat. Dietrich Schwarz hat 20 Jahre investiert und nie aufgegeben, das Unmögliche möglich zu machen. Man könnte es als sein Lebenswerk betrachten. Viele haben sich daran versucht und aufgegeben. «Anfangs wusste ich nicht, ob es ein Perpetuum Mobile oder das Superding ist», sagt Dietrich Schwarz. Er sei nicht der erste gewesen, der sich an einem solchen Glas versucht hat. «Mir war klar, dass die richtigen Baumaterialien fehlen, dieser Mangel hat bei mir Neugierde geweckt», so Schwarz weiter. Dass der Durchbruch so lange auf sich warten liess, habe weniger an der Technik, als vielmehr an den Investitionen gelegen. Nun wurde es mit dem ersten Prototypen geschafft.

Dass der Durchbruch so lange auf sich warten liess, habe weniger an der Technik, als vielmehr an den Investitionen gelegen.
Liechtenstein hat den Lead

Und das hat auch das Ausland erkannt, denn das Projekt erhielt Forschungsbeiträge von der Europäischen Kommission innerhalb des 7. Rahmenprogrammes. «Es war für uns eine unheimliche Freude, dass wir uns unter 14 Anträgen durchgesetzt haben», sagt Schwarz. Fluid Glass wurde so zu einem grossen, dauerhaften Projekt, das den übernationalen Schritt vollzogen hat, indem auch Partnerschaften mit den renommierten Universitäten Stuttgart und München wie der Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs NTB realisiert werden konnten. Den Lead hat aber nach wie vor die Universität Liechtenstein, an welcher Schwarz seit 2008 doziert. Gemeinsam mit der Interstaatlichen Hochschule für Technik Buchs NTB und einer Partnerschaft mit Hoval, die für die Haustechnik zuständig sind, konnte das erste Glas, das Energie gewinnen und abgeben kann, entwickelt werden. Auch Jochen Stopper war seit den Anfängen dabei und habe eine sehr fruchtbare Partnerschaft mit der TU München ermöglicht. Dort wurde Fluid Glass zurzeit getestet. Das Kick-off Meeting des europäischen Forschungsprojekts hat Anfang Oktober an der Universität Liechtenstein stattgefunden.

Flüssigkeit ermöglicht Energiemanagement

«Es ist das erste Glas, das Energie im Glas selbst kontrollieren kann», erklärt Gstöhl, der sich bereits zuvor mit Solartechnologie beschäftigt hatte. Die Funktionsweise des Fluid Glass klingt simpler, als sie ist. Denn die Herstellung erfordert das Zusammenwirken vieler Berufsgattungen. Gstöhl erklärt, dass die Energiebilanz eines Hauses drei wichtige Aspekte hat: «Es geht um die im Sommer eintretende Energie, die im Winter verlorene Energie und als dritter Aspekt die Differenz, die es mit Haustechnik auszugleichen gilt.» Diese drei Komponenten vereine das Fluid Glass. Möglich wird dies dank einer im Glas zirkulierenden Flüssigkeit. Der rund sieben Zentimeter dicke Glasaufbau selbst weist drei Hohlräume auf. Die äusseren beiden sind mit Flüssigkeit gefüllt, in der Mitte des Glases befindet sich Edelgas als Isolator. So kann mit dem Glas auch Energie gewonnen werden», ergänzt Schwarz. Dank den beiden mit zirkulierender Flüssigkeit gefüllten äusseren Flächen habe man stets die richtige Raumtemperatur. Dabei fungiert die innere Flüssigkeit als eine Art Heizung, wenn es im Winter kalt ist und als Kühlanlage bei Hitze im Sommer. Zugleich kann aber dank der äusseren Schicht die Solareinstrahlung kontrolliert werden. «Das Zirkulieren der Flüssigkeit bewirkt, dass es überall im Gebäude gleich warm ist, wenn etwa die Sonne nur auf die Vorderseite scheint», so Gstöhl. Indem man äussere zirkulierende Flüssigkeit leicht einfärbt, kann die eintretende Lichtmenge genau kontrolliert und angepasst werden. «So hat man freie Sicht, ohne störende Lamellenstoren oder getönten Glasfolien», sagt Gstöhl. Es handelt sich bei Fluid Glass also um eine solarthermische Fassade mit Kollektorfunktion.

Energetisch perfekt und trotzdem schön
Vom gesamten System können Energieeinsparungen von 20 bis 30 Prozent erwartet werden.

Ein weiterer, im Zeitalter erneuerbarer Energien wichtiger Aspekt, den Fluid Glass erfüllt, ist die Ästhetik. Schwarz zieht den Vergleich der Brille heran. «Jeder redet vom Rahmen, seinen Zweck erfüllen aber die Gläser.» Viele Dinge seien heutzutage energetisch perfekt, aber nicht komfortabel oder unschön. Der Fluid Glass-Fassade aber sieht man nichts an. Glas und Wasser sind transparent «Die Genialität daran ist, dass das Element nicht sichtbar ist und trotzdem alle Probleme löst», sagt Schwarz. Vom gesamten System können Energieeinsparungen von 20 bis 30 Prozent erwartet werden. «Unser Ziel ist es, eine ganzheitliche Lösung anzubieten, die sich auf dem Markt durchsetzt, die zwar teurer ist, sich aber unter dem Strich lohnt», erklärt Schwarz. Auch ein Null-Energiehaus sei denkbar, deshalb werde er auf jeden Fall dranbleiben. Denn Fluid Glass sei stets ein ungebrochener Trend gewesen, der nun bald Marktreife erreicht. «Es ist vielleicht sogar meine grösste Leistung», sagt Schwarz.

*Dieser Artikel erschien ursprünglich in der November 2014 Ausgabe des Wissensmagazins Denkraum.