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Nahversorgung in Gefahr – warum Märkte aufgeben

Der Lebensmittelhandel in Vorarlberg ist im Umbruch. Vorarlberg hat eines der dichtesten Netze an Lebensmittelgeschäften. Aber Kaufleute zu finden, wird immer schwerer. Im Interview mit ORF Vorarlberg spricht Dr. Johannes Herburger, Raumentwicklung und Regionalforschung an der Universität Liechtenstein, über die Bedeutung der Dorfläden in Gemeinden.

ORF Vorarlberg: Warum sind denn Dorfläden für eine Gemeinde so wichtig?
Johannes Herburger: Sie sind aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen eigentlich existenziell wichtig. Sie sichern die standortnahe Versorgung, insbesondere für die älter werdende Bevölkerung, in der wir leben. Und es sind auch krisensichere Garanten, die uns auch wie etwa in der ersten Coronawelle am Wohnstandort mit Lebensmitteln versorgen.

ORF Vorarlberg: Trotzdem gibt es in 40 Gemeinden diese Läden überhaupt nur noch, weil sie gefördert werden. Wissen das die Menschen zu wenig? Oder kommen die Dorfläden dann, wenn es tatsächlich ums Einkaufen geht, doch nicht so gut an?
Johannes Herburger: Also grundsätzlich wissen das die Menschen in diesen Standortgemeinden. Wir haben aber sehr häufig in diesen Gemeinden das Problem, dass es Auspendler-Gemeinden sind. Also untertags, während Einkaufszeit, ist ein großer Teil der Bevölkerung überhaupt nicht in der Gemeinde und kann sich dann am Nachhauseweg in einem Supermarkt in einem Einkaufszentrum – die ja üblicherweise strategisch an einem Verkehrsknotenpunkt situiert sind – versorgen mit den großen Einkäufen. Und für die Dorfläden bleiben dann meist nur Kleineinkäufe oder eben kleinere Haushalte über, die da ihre Einkäufe tätigen.

ORF Vorarlberg: Macht es dann aber, wenn man es so betrachtet, überhaupt Sinn, dass sich Vorarlberg bzw. die Gemeinden, diese Dorfläden denn überhaupt noch leisten?
Johannes Herburger: Das ist extrem wichtig, weil die über 80-Jährigen die am stärksten wachsende Altersgruppe sind. Auch diese Menschen haben ein Recht, sich wohnortnah versorgen zu können mit den
Gütern des täglichen Bedarfs. Und eigentlich ist diese Förderung auch eine Antwort auf ein Versagen des Marktes, der ja eigentlich genau diese Nahversorgung nicht mehr erfüllen kann in vielen Bereichen, weil man sich eben auf einzelne Standorte konzentriert.

ORF Vorarlberg: Sind diese Investitionen in Dorfläden also Investitionen in die Zukunft? Sie haben die Demographie angesprochen: Immer mehr Menschen werden immer älter und werden dann nicht mehr einfach so in ein großes Einkaufszentrum am Ortsrand gehen können.
Johannes Herburger: Genau das sind Investitionen in die Zukunft und in den sozialen Zusammenhalt in vielen Dörfern, weil der Nahversorger eigentlich der letzte Handelsbetrieb ist, der in Dörfern oder kleinen Gemeinden überhaupt noch überleben kann. Und sehr, sehr häufig ist das auch der letzte Treffpunkt überhaupt noch in den Gemeinden, weil beispielsweise auch das Gasthaus zugesperrt hat. Also auch diese Treffpunkt-Funktion wird in Zukunft sehr viel wichtiger werden.

ORF Vorarlberg: Sollten also Land und Gemeinden noch viel mehr Geld in die Dorfläden investieren?
Johannes Herburger: Also das heißt nicht nur viel mehr Geld zu investieren. Das sind Investitionen in Landesziele, die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Es sind auch Investitionen in die Sicherung von sozialen Treffpunkten in der Gemeinde. Es sind Investitionen, um auch dem demografischen Wandel entgegenzuwirken. Von daher rentieren sich diese Investitionen und sollten natürlich im Rahmen des Möglichen sicherlich beibehalten und – wo sinnvoll – passend intensiviert werden.(red, vorarlberg.ORF.at)