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Zusammen ist man weniger allein

Es herrscht eine herzliche Stimmung am Esstisch von Edith De Boni. Zusammen mit ihren studentischen Mitbewohnerinnen Kate und Lin erzählt sie, wie ihre internationale Wohngemeinschaft entstand.

 

«Ein Bekannter von mir brachte mich eines Morgens auf die Idee, eine Art Mehrgenerationenhaus zu gründen. Mir gefiel der Gedanke vor allem, weil mein Haus doch recht gross und still für mich alleine war. Mein verstorbener Mann und ich sind früher viel zusammen gereist — nach Afrika, Südamerika und Asien — und so entstand der Wunsch, Studierende aus dem Ausland aufzunehmen. So kann ich auch mein Englisch üben und verbessern», erzählt Edith mit einem Augenzwinkern. Während seiner Reisen schloss das Ehepaar viele neue Freundschaften und empfing regelmässig Besuch aus aller Welt in seinem gemütlichen Haus im Herzen Schaans. Und so musste Edith es für ihre neue Wohnidee nicht einmal umgestalten.

«Mein verstorbener Mann und ich sind früher viel gereist — nach Afrika, Südamerika und Asien — und so entstand der Wunsch, Studierende aus dem Ausland aufzunehmen.» Edith

Es sind die vielen Momente fern der Heimat, die sie geprägt haben. Die Autopanne mitten im Nirgendwo, im Notfall keinen Arzt finden oder die Sprache an einem Ort nicht sprechen und sich nicht verständigen können. Das lehrte sie Empathie und Toleranz. «Leute nehmen, wie sie sind, mich verschiedenen Kulturen anpassen können und vor allem offen sein – das habe ich während unserer Reisen gelernt», stellt Edith lächelnd fest. Dabei entwickelte sie einen neuen Blick auf ihre Heimat, auf die Natur und das angenehm organisierte Leben in Liechtenstein. Diese Wertschätzung wollte sie Kate und Lin von Anfang an vermitteln: «Eines der ersten Dinge, die wir zusammen unternommen haben, war hoch nach  Valüna zu fahren. Im Grunde machen wir regelmässig Ausflüge und entdecken gemeinsam die Region. Neulich haben Lin und ich den Liechtensteiner Fürsten beim Spazierengehen ohne Bodyguard getroffen. Sie konnte es kaum glauben», schmunzelt Edith. Aufgeregt wirft Lin ein: «Ja genau! In meinem Land wäre das undenkbar!»

komp_Fotoreportage 2_Portrait hochkant, 3.jpgDie junge Chinesin stammt aus der Metropole Shenzhen, unweit von Hong Kong. In ihrer Heimat gibt es viel Lärm, viel Smog und viele beschäftigte Menschen. Ständig wird gearbeitet. Sie sehnte sich nach einer Abwechslung. Als ein Freund aus Düsseldorf ihr von Liechtenstein erzählte und der Möglichkeit, hier einen Master in Finance auf Englisch zu machen, bewarb sie sich sofort. Nach der Zusage stellte sich die grosse Frage: wo wohnen? Dabei war für Lin von Anfang an klar, dass ein Zimmer im Studentenwohnheim nicht infrage kommt. «Das hatte ich die letzten 5 Jahre während der Oberstufe und meines Bachelorstudiums. Glücklicherweise hat mir dann Wohnheimleiterin Gabriela Cortés das Zimmer bei Edith vermittelt.»

«Im Grunde hat man als Student in Liechtenstein alles, was man braucht» erklärt Kate. Sie schätzt vor allem die Ruhe und wenige Ablenkung, sodass man sich ausgezeichnet auf sein Studium konzentrieren kann. Und wenn man doch mal raus will, dann sind Zürich, Mailand oder München schnell erreicht. Kate stammt aus der Ukraine und absolvierte in Kiev bereits einen Master. Ihr Zweitmaster in Architektur an der Universität Liechtenstein soll ihre Karriere zusätzlich voranbringen. Im Masterprogramm wird Architektur als sozial-verantwortliche Profession gelehrt. Die Studierenden schliessen sich je nach Interesse einem Designstudio an, in dem die eigene Entwurfspraxis weiter verfeinert wird, vor allem mit Blick auf kulturelle Sinn- und Nachhaltigkeit. In ihrem ersten Semester befassten sich Kate und ihre Mitstudierenden im Studio mit dem Thema «Kulturelle Identität». Kate stiess bei ihrer Recherche auf den Stamm der Hunza, die im Karakorum Gebirge Nordpakistans leben. Diese Bergkette beheimatet den zweithöchsten Berg der Erde, den K2 mit 8611 m. Es faszinierte sie, wie der Mensch sich an ein Leben in solcher Höhenlage und mit extremen Wetterbedingungen über die Jahrhunderte angepasst hat. Die klassische Weidewirtschaft, als Beispiel, ist in der zerklüfteten Berglandschaft nicht möglich. Doch wie ein sinnvolles Baukonzept entwickeln, wenn sie selbst noch nie an diesem Ort der Erde war? Die Lösung ergab sich unverhofft bei einer Tasse Tee mit Edith. Sie sassen wie so oft zusammen und Kate erzählte von ihrer Projektidee, als Edith strahlend feststellte: «Aber da war ich doch schon! Vor 25 Jahren – damals sind wir mit dem Auto von Liechtenstein nach Indien gefahren, und wieder zurück.» Sogleich suchte sie ihre alten Fotos und Aufzeichnungen heraus, sammelte Reisesouvenirs zusammen und half Kate, sich ein besseres Bild von der Region zu machen.

Es sind genau diese Momente, die das Zusammenleben von Edith, Kate und Lin ausmachen. Der offene Austausch, das Teilen von Erfahrungen und die Neugierde auf fremde Kulturen. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich drei Menschen über verschiedene Kulturen und Altersgruppen hinweg so gut verstehen. Vom Zufall zusammengeführt, hätte man diese internationale Gemeinschaft nicht besser planen können.

 

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Kate, Edith und Lin machen regelmässig Ausflüge und entdecken gemeinsam die Region.

 

Lang, lang ist es her. Edith erzählt Kate über ihre abenteuerliche Reise von Liechtenstein nach Indien vor 25 Jahren.

 

Eigentlich hatte Lin Angst vor Hunden — bis sie Sybilla traf. Nach nur einem Tag war ihr Herz erobert.

 

Dieser Beitrag erschien erstmals im Wissensmagazin "Denkraum" der Universität Liechtenstein.