uni.liNeuigkeitenLindau Nobel - Impuls #1: Unkonventionelles Denken und kritisches Hinterfragen

Lindau Nobel - Impuls #1: Unkonventionelles Denken und kritisches Hinterfragen

«Wie nahe sich die 18 anwesenden Wirtschaftsnobelpreisträger den Nachwuchsökonomen zeigen und wie offen gegenüber kritischer Diskussion und Anregungen, ist wirklich beeindruckend.»
Dr. Andreas Brunhart, Forschungsbeauftragter am Liechtenstein-Institut und wissenschaftlicher Projektmitarbeiter an der KOFL, mit seinem persönlichen Wissenschaftsimpuls
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«Wie nahe sich die 18 anwesenden Wirtschaftsnobelpreisträger den Nachwuchsökonominnen und –ökonomen zeigen und wie offen gegenüber kritischer Diskussion und Anregungen, ist wirklich beeindruckend.»


Dr. Andreas Brunhart, Forscher am Liechtenstein-Institut und an der KOFL, mit seinem persönlichen Wissenschaftsimpuls






«Bereits nach zwei Tagen kann ein positives Fazit gezogen werden: Die Gespräche unter den fast 500 jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus über 80 Ländern sind von gegenseitigem Interesse an den einzelnen Forschungsschwerpunkten, kritischem Denken und einer herausfordernden Prise Humor geprägt. Gerade in einem so heterogenen Forschungsfeld wie der Volkswirtschaftslehre ist dies immer wieder eine lohnende Erfahrung. Wie nahe sich die 18 anwesenden Wirtschaftsnobelpreisträger den Nachwuchsökonominnen und –ökonomen zeigen und wie offen gegenüber kritischer Diskussion und Anregungen, ist wirklich beeindruckend.


Eröffnungsrede Angela Merkel
Höhepunkt der Eröffnungsfeier war die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dabei zeigte sie sich souverän, aber auch sehr nahbar und offen und nahm kein Blatt vor den Mund, als sie die schlechte Performance der Prognosemodelle und Wirtschaftstheorien im Vorfeld der Finanzkrise ansprach. Eine gute Zusammenfassung ihrer Rede findet sich unter:
www.nzz.ch/wirtschaft/merkel-ermahnt-die-oekonomenzunft-1.18367044
 

Eröffnungsrede der deutschen Bundeskanzlerin


Persönliches Highlight: 
Auserlesene Gesprächsrunde mit deutscher Kanzlerin

Mein Highlight am Mittwoch war dann aber das persönliche 45-minütige Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrer Rede, zu dem das Bundeskanzleramt lud und wozu ich neben 14 anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausgewählt wurde. Nach einem kurzen Briefing war eigentlich nicht wirklich klar, in welche Richtung das Gespräch sich bewegen und welche Themen angesprochen würden.

Umso geradliniger war dann aber der Auftritt der Kanzlerin: Nach der Vorstellung aller 15 Ökonominnen und Ökonomen ergriff sie gleich die Initiative und lenkte die Gesprächsrunde. Dies in einer sehr eloquenten Art, mit viel Selbstironie und extrem offen gegenüber den Fragen, welche aus der Runde an sie gelangten. Sehr spannend war es zu erfahren, wie sie in ihrem politischen Entscheidungsalltag mit den Resultaten wirtschaftlicher Gutachten und Beratung umgeht und wie diese dann Eingang in ihre Entscheidungen finden. Vor allem die Frage, wie in der wirtschaftspolitischen Analyse und Entscheidungsfindung mit Unsicherheit umgegangen wird und wie man diese am besten kommunizieren kann, wurde rege diskutiert.
 

Dr. Andreas Brunhart (rechts im Bild) im wissenschaftlichen Austausch mit der deutschen Bundeskanzlerin


Neue Perspektiven in der Wirtschaftstheorie
Als regelmässiger Anwender einiger seiner multivariaten statistischen Methoden war für mich der Vortrag von Christopher Sims von besonderem persönlichem Interesse.
Auch der Vortrag von Edmund Phelps, welcher bereits einleitend mit überraschend klaren Worten die Grenzen der neoklassischen Wachstumsmodelle (also dem Mainstream makroökonomischer Theorie) herausstrich, war speziell beeindruckend. Es schien ihm offensichtlich ein besonderes Bedürfnis zu sein, die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu hoher Skepsis, unkonventionellem Denken und kritischem Hinterfragen wirtschaftstheoretischer Dogmen anzuhalten. Dies gelte gleichsam in der akademischen wie auch der unternehmerischen Forschung. Nur so seien weltweite Innovationsschübe langfristig wieder möglich. Auch ging er auf die aktuelle Diskussion, mitausgelöst durch Thomas Pikettys Buch «Capital in the Twenty First Century», um die wachstumshemmenden Wirkungen von steigender Einkommensungleichheit ein.

Damit stimmt er auch mit Nobelpreisträger Paul Krugman überein und neuerdings auch mit Standard&Poor’s und dem Internationalen Währungsfond, welche in dieser Diskussion eine der wichtigsten neoliberalen Positionen umzustossen scheinen. Dieses Thema war auch ein Schwerpunkt in den Vorträgen und Diskussionen des wohl prominentesten und charismatischsten der anwesenden Nobelpreisträger, Joseph Stiglitz (John Nash musste gesundheitsbedingt leider kurzfristig absagen).



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Dialog zwischen Theorie und Realität
Alles in allem bin ich sehr dankbar, als Nachwuchsökonom für das Nobelpreisträgertreffen nominiert worden zu sein. Das Diskussionsklima ist sehr befruchtend und stimmt für die kommende Herausforderung der Wirtschaftswissenschaften, die noch komplexer werdenden ökonomischen Phänomene besser begreifen zu können, optimistisch. Auch auf die angewandte Ökonomie, welche in meinen Augen gegenüber den theoretischen Modellen oft etwas zu kurz kommt in Lehre und Forschung an den Universitäten, wurde in den Vorträgen und Gesprächen ausgiebig eingegangen. Dies ist erfreulich, denn auch wenn Grundlagenforschung im Bereich ökonomischer Theorie und deren Modellen sehr wichtig ist, ist ein fortwährender Dialog die ökonomischen Realitäten betreffend zentraler denn je (nicht erst seit der Finanzkrise!).»


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