von Yvonne von Hunnius
Im Kampf um die besten Fachkräfte kann es Vaduz mit Metropolen wie München, Wien oder Zürich nicht aufnehmen? Weit gefehlt. «Junge Talente haben sehr ausdifferenzierte Bedürfnisse in Bezug auf ihren künftigen Job – da kann das Alpenrheintal sehr wohl punkten», sagt Stefan Güldenberg, Professor am Lehrstuhl für Internationales Management der Universität Liechtenstein. Und eine gute Grundlage, um auf die richtigen Trümpfe zu setzen, liefert eine aktuelle Studie der Absolventin Julia Tenschert. Sie hat 105 herausragende Studierende von über zehn Hochschulen zwischen Wien, München und Zürich befragt – allesamt Studienstädte, aus denen ein grosser Teil der Anwärter auf Stellen in der Region stammt. Wichtig sind diese Ergebnisse für die Personalarbeit jedes Unternehmens, das ein verschwommenes Bild der neuen Generation an Fachkräften hat. Wer ihre Wünsche hingegen kennt, kann bessere Anreize setzen.
Den eigenen Wert vor Augen
Im Fokus steht die Generation Y der nach 1980 Geborenen. Ihre Vertreter gelten als anspruchsvoll und wechselhaft. Die Studie von Julia Tenschert sagt dazu: Anspruchsvoll – ja, aber dafür leistungsbereit; wechselhaft – nein, aber auf dem Sprung, wenn Versprechen nicht gehalten werden. Wenn die Bedingungen perfekt passen – und nur dann –, packen sie ihre Koffer, richten ihren Lebensmittelpunkt nach dem Arbeitgeber und bringen sich voll ein. Dabei sind die sogenannten Ypsiloner sich ihres Werts auf dem Markt der Talente wohl bewusst – ob männlich oder weiblich. Doch ihre Strategie stellt sich als weit weniger rational ökonomisch heraus, als mancher denken mag.
Momentan betrachten Unternehmen die Entlohnung oft als bestes Argument in der Rekrutierung. Ein unangenehmer Punkt gerade für kleinere Unternehmen, die in Nischen arbeiten und auf Hochqualifizierte angewiesen sind. Da ist es eine gute Nachricht, dass für die Studienteilnehmer ein angemessener Lohn zwar notwendig ist, aber im Gesamtbild nicht ausreicht, um sie langfristig zu binden.
Work-Life-Balance ist entscheidend
Stefan Güldenberg spricht von einem Wertewandel, der sich bemerkbar macht. Immer grösseren Stellenwert nehmen Massnahmen ein, die eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Leben ermöglichen. Faktoren wie die Vereinbarkeit mit dem Privatleben, ein gutes Arbeitsklima, Mitsprache- und Gestaltungsmöglichkeiten werden zu einer harten Währung. Diese ist match-entscheidend, wenn es zu einer Patt-Situation zwischen zwei attraktiven Jobangeboten kommt. Laut der Studie von Tenschert ist Materielles wie ein Firmenwagen oder Bonus ab einem gewissen Grad kein Motivationsfaktor mehr. Dann stellen sich Entwicklungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten als die bessere Investition heraus. Auf der Wunschliste der Befragten ganz oben rangiert eine Anstellung bei einem internationalen Konzern, der die Aussicht auf einen Auslandsaufenthalt undeine internationale Karriere bietet. Gleichzeitig ist jedoch bei vielen auch die Arbeit als Selbstständiger und in einem mittelständischen Unternehmen besonders attraktiv.
Wertewandel: Nachwuchskräfte mit Work-Life Balance Angeboten überzeugen, statt dem grossen Geld.
Chancen fern der Metropolen
Dem Wunsch nach Flexibilität und Work-Life-Balance können nicht nur Konzerne nachkommen. Laut Güldenberg sind dafür gerade KMU mit flachen Hierarchien prädestiniert – und diese Unternehmen sind im Alpenrheintal prägend. Das Verständnis für flexible Rahmenbedingungen begünstige auch der Unternehmergeist, der ganz besonders im Alpenrheintal zuhause ist. Dafür muss jedoch noch vielerorts von bewährten Praktiken wie der Stechuhr und der Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz langsam aber sicher Abschied genommen werden.
Die beste Botschaft für hiesige Unternehmen aller Grössen ist jedoch: Es gibt sie, die Talente, die dem Leben in einer pulsierenden Grossstadt gern den Rücken zuwenden. Den Studienteilnehmern war Sicherheit und auch Sauberkeit wichtig, zudem wirtschaftliche Stabilität und ein gutes Bildungswesen. Urbane Faktoren bewerteten sie etwas geringer – beispielsweise eine zentrale Lage oder ein vielfältiges Kulturangebot in internationaler, multikultureller Atmosphäre. Unternehmen können somit Standort-Asse wie eine intakte Natur oder geringe Kriminalitätsrate voll ausspielen.
Unternehmenswerte machen attraktiv
So optimistisch die Ergebnisse Personalverantwortliche auch stimmen mögen, sie dürfen sich nicht nur in Stellenausschreibungen wiederfinden. Es geht um ein Versprechen, das letztlich auch eingelöst werden muss. Andernfalls schauen sich Fachkräfte schnell nach einem neuen Job um. «Dazu sollte die Personalstrategie eng mit der Unternehmensstrategie und den Werten eines Unternehmens verzahnt sein. Nur so wird bewusst, welche Talente man braucht und welche Angebote nachhaltig Sinn machen», sagt Güldenberg. Dann hilft es auch, bewusst mit Personal-Pools zu arbeiten. Das können Talent-Veranstaltungen der Universität sein, auf denen man mit Studierenden ins Gespräch kommt. Je klarer die Positionierung, desto besser können Angebote und Erwartungen abgeglichen werden – desto grösser ist der Erfolg als Arbeitgebermarke. «Letztlich», so Güldenberg, «wirkt sich das positiv auf den Umsatz, den Kundenservice sowie die Produktivität, das Image und die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens aus.»
* Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Mai 2015 Ausgabe des Wissensmagazins Denkraum.