Bauaufgaben, die sich Architektinnen und Architekten stellen, sind vielfältig und oftmals ein Produkt zeitgebundener Bedürfnisse und Anforderungen. Ein Problem, das europäische Gesellschaften – und auch darüber hinaus – seit Jahrhunderten beschäftigt und bis heute ungelöst ist, ist das der Armut.
Eine zentrale Reaktion darauf ist die Fürsorge, das heisst die Sorge um den bedürftigen Mitmenschen mit dem Ziel seine prekäre Lebenssituation zu verbessern. Gleichzeitig gibt es immer auch Tendenzen, die Armen aus der Gesellschaft auszuschliessen. Die Architektur spiegelt beide Haltungen zur Armut wider und spielt im Umgang mit ihr eine zentrale Rolle.
Im Rahmen der Seminarwoche werden wir verschiedene – oftmals konträre architektonische, stadt- und landschaftsgestaltende Lösungsvorschläge zur Armutsproblematik untersuchen. Historisch spannen wir dabei einen weiten Bogen von den Hospitälern des Mittelalters über die grossen Versorgungsanstalten der Renaissance bis hin zur Gefängnisarchitektur der Aufklärung und zum Sozialen Wohnungsbau des 20. Jahrhunderts. Ein Sonderfall stellt die freiwillige Armut der Bettelorden dar, die der Not aktiv eine gelebte Bedürfnislosigkeit gegenüberstellt.
Ziel des Seminars ist es, den Studierenden einen differenzierten und theoretisch unterfütterten Einblick in die Genese der europäischen Fürsorgearchitektur zu ermöglichen. Die Analyse von Bauten, die Vermittlung und Einübung des entsprechenden Architekturvokabulars sowie die Verortung der Objekte im historischen Kontext werden als Kompetenzen vermittelt. An Hand von ausgewählten Baubeispielen, gesellschafts- wie architekturtheoretischen Texten sowie zwei Exkursionen in Vorarlberg („Wohnen 500“ in Mäder für bedürftige einheimische und Flüchtlingsfamilien von 2016 und Franziskanerkloster Bludenz von 1645) erarbeiten wir uns gemeinsam in Übungen und Diskussionsrunden dank Input-Referaten an der Universität Liechtenstein ein griffiges Wissensspektrum, das als Grundlage für eine spätere Entwurfsarbeit dienen kann.