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Abschied vom grenzenlosen Wachstum

Das dritte Gespräch zum Thema „Über Morgen“ der diesjährigen Reihe „Campus Gespräche“ der Universität Liechtenstein widmete sich den gesellschaftlichen Herausforderungen einer offenen Gesellschaft, die an die Grenzen des Wachstums stösst.

Mit einer kurzen Geschichte über die Neueröffnung des Panamakanals im Sommer 2016 startete der Sozialwissenschaftler und CEO  von Futurzwei, Prof. Dr. Harald Welzer, seinen Vortrag, der das „Weiterbauen am zivilisatorischen Projekt“ zum Thema hatte. Am Beispiel des neuen Kanals, der es nun Schiffen mit ca 14000 Containern – statt solcher mit nur 4400 Containern auf der 102 Jahre alten Wasserstrasse – erlaubt, auf direktem Weg zwischen Atlantik und Pazifik zu verkehren, machte er die rasante Steigerung des weltweiten Konsums deutlich. Zumal schon ein 3. Kanal in Planung ist, der noch grösseren Schiffen mit 22000 Containern den Transit erlauben soll. Welzer wies darauf hin, dass jede Konsumsteigerung zu einer Aufwanderhöhung, wie etwa dem Ausbau der Transportwege, und damit zu einem immer grösseren Naturverbrauch führt. Da Natur oder Rohstoffe aber nur in einem beschränkten Mass vorhanden sind, stösst das kapitalistische Wirtschaftsmodell der westlichen Gesellschaften, das auf einem unendlichen Wachstum basiert, inzwischen an seine Grenzen.

Bislang erfolgreichstes Modell

Welzer zeigte zugleich auf, dass genau dieses Wirtschaftsmodell des fortdauernden Wachstums das bislang erfolgreichste war und der Gesellschaft neben Wohlstand auch Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, Demokratie sowie ein funktionierendes Gesundheits- und Bildungswesen bescherte. Mittlerweile sind die wirtschaftlichen Utopien früherer Generationen und die materiellen Versprechungen eingelöst, doch wie weiter? Pausenloses Wachstum verursacht einen ebenso pausenlosen Energie- und Ressourcenverbrauch, und wie sollen die immateriellen zivilisatorischen Güter der offenen freien Gesellschaften erhalten bleiben können bei nun notwendigen radikal geringeren Naturverbrauch?

Das Unerwartbare tun

Anders als andere Zukunftsforscher wie etwa Dennis L. Meadows, die nicht mehr daran glauben, dass menschengemachte Naturkatastrophen wie Klimawandel, Artenschwund oder zunehmende Wüstenbildung abgewendet werden können, vertritt Harald Welzer eine optimistischere Ansicht. Als CEO der gemeinnützigen Stiftung Futurzwei, die ihre Mittel für das Projekt einer zukunftsfähigen, enkeltauglichen Gesellschaft einsetzt, glaubt er daran, dass man auch heute „das Unerwartbare tun kann“. Wirklich neue Bewegungen starten immer von unten in ganz kleinen Gruppen, führt der Sozialpsychologe aus, sie nutzen ihre Handlungsspielräume, um zukunftsfähige Lebensstile und Wirtschaftsweisen zu entwickeln und zu erproben. Futurzwei betrachtet diese Projekte und untersucht sie auf ihre Tauglichkeit für die gesamt Gesellschaft.

Aufgabe kann nicht delegiert werden

Welzer machte deutlich, dass jeder selbst den Unterschied machen muss und der Auftrag zur Veränderung auch nicht an die Wissenschaft delegiert werden kann, da diese strukturkonservativ sei. Ausserdem müsse allen klar sein, dass Veränderungen nicht zu Win-Win führen, sondern immer irgendjemand dabei etwas verlöre. Denn selbst hervorragende zivilisatorische Errungenschaften wie die Abschaffung der Kinderarbeit oder die Gleichstellung der Frauen hätten zu einer De-Privilegierung der bisherigen Nutzniesser geführt. Doch dieser Verlust sei durch den Gewinn für die Gesamtgesellschaft mehr als wettgemacht worden und „es sind immer die Gesellschaften gescheitert, die nicht von ihren tradierten Erfolgsmodellen abweichen wollten. Die Kultur einer Gesellschaft verändert sich, wenn Einzelne die Erfahrung machten, dass andere Werte glücklicher machen und attraktiver sind.“

In der anschliessenden Gesprächsrunde mit   Gregor Braun, Student Universität Liechtenstein und Vizepräsident Club Alpbach Liechtenstein, Michaela Hogenboom Kindle, Mitgründerin Symbiose Gemeinschaft/Zukunftswerkstatt, und Marco Willi, Schüler am Liechtensteinischen Gymnasium in Vaduz, wurden die Möglichkeiten und Chancen, aber auch die Schwierigkeiten einer Veränderung im Kleinen wie im Grossen  diskutiert, bevor auch das Publikum zu Wort kam und der inspirierende Abend später beim Apéro seinen Abschluss fand.

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