Eine breite thematische Palette etwa zu Politik, Wirtschaft, Bildung, Berufsaspiration, Online- und Offlinewelten und Freizeit kam dabei zur Sprache. Im zweiten Studienteil wurden aufgrund der in der Befragung genannten Erfahrungen spezifische Aspekte zu Politik, Vertrauen in Institutionen und zum generationenübergreifenden Zusammenhalt vertieft mittels Gruppengespräche erforscht. Die offen vorliegenden Ergebnisse bieten zum einen Einblick in die Befindlichkeit der Jungen sowie Wissen zum Stand der gegenwärtigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse aus der Sicht der Jungen, zum anderen ermöglichen sie Vergleichsmöglichkeiten mit ähnlichen Studien in den Nachbarsländern. Und darüber hinaus gestatten sie Einblicke in die besondere Situation in Liechtenstein.
Das Wichtigste in Kürze
Was im Leben am meisten zählt, sind die sozialen Beziehungen
Die drei wichtigsten Dinge im Leben der Jungen beinhalten eine soziale Dimension: Ein gelingendes Leben mit guten Freunden und Freundinnen, die einem Anerkennung und Akzeptanz entgegenbringen, ein vertrauensvoller Partner oder eine vertrauensvolle Partnerin und ein gutes Familienleben.
In Einklang mit dieser Grundhaltung nennen die Jungen «Treue» als den wichtigsten Wert, der bei ihnen und ihren Kolleginnen und Kollegen «in» und «out» ist. Damit drückt sich der Wunsch nach Sicherheit und langfristiger Bindung sowie nach Verlässlichkeit in sozialen Beziehungen aus. Weiter auf der «in»- und «out»-Liste rangieren aber auch Verhaltensweisen und Aktivitäten oben, die das individuelle Fortkommen stützen und auf die
«Karriere» abzielen, wie etwa «Verantwortung übernehmen» oder «Dinge selber machen».
Alltagsroutinen
Den eng getakteten Alltag der Jungen in Liechtenstein prägen Ausbildung, Berufsleben und Freizeit.
Die konkrete Gestaltung der Freizeit zeigt sich unterschiedlich. Es spielen selbst gewählte soziale Aktivitäten wie etwa der Austausch mit Gleichaltrigen eine wichtige Rolle, zudem Musikhören und Sporttreiben. Am meisten Freizeit verbringen die Jungen zu Hause.
Die Verschränkung von Online- und Offline-Welten ist für die Jungen in ihrem Alltag selbstverständlich. Mehrheitlich bereitet den jungen Menschen das Bewegen im virtuellen Raum Spass, viele sorgen sich allerdings, was mit ihren persönlichen Daten im Internet passiert.
Geschlechterspezifische Unterschiede in der Einstellung zu Beruf und im Karriereanspruch
Die 16- bis 25-Jährigen sind entweder schon im Berufsleben oder bereiten sich gerade darauf vor. Unabhängig von ihrer Situation äussert sich die Überzahl der Jungen optimistisch und ist sich relativ sicher, dass sich ihr Wunschberuf verwirklichen lässt. Schlechte Noten, ein fehlender Schulabschluss oder fehlende finanzielle Mittel sind für die wenigsten ein Hindernis. Die Selbsteinschätzung der Frauen und Männer variiert signifikant, dabei sind die Frauen deutlich skeptischer.
Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigen sich auch bei den Erwartungen an den Beruf und den Vorstellungen des konkreten beruflichen Alltags. Sinnstiftende Arbeit und einen sicheren Arbeitsplatz streben alle Jungen mit grösster Priorität an.
Ebenfalls veranschaulichen die Antworten zur Berufsthematik Unterschiede zwischen jungen Frauen und Männern. Es lässt sich bei Männern eine stärker ausgeprägte Karriereorientierung feststellen, bei Frauen herrscht eine grössere Skepsis bezüglich ihrer eigenen Karrierechancen vor und es wird ein ausgeprägtes Verlangen nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie respektive Privatleben formuliert. Diese Ansprüche und Vorstellungen zu Berufswelt und Familienmodell beider Geschlechter verweisen auf ein traditionelles Rollen- und Familienverständnis und eine der Karriere untergeordnete Mutterrollenorientierung der jungen Frauen.
Herausfordernde Übergänge in die Berufswelt und Ablehnungserfahrungen auf dem Arbeitsmarkt
Die ersten Erfahrungen der Jungen in der Berufswelt sind nicht immer einfach. Als besonders herausfordernd wird oft der Einstieg in die Berufswelt erfahren. Ein Praktikumsplatz, eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle zu ergattern, gilt als schwierig. Von Erfahrungen mit Absagen oder ausbleibenden Reaktionen auf Bewerbungen können viele berichten. Junge Frauen sind öfters von derartigen Erfahrungen betroffen als junge Männer.
Als eine weitere Herausforderung im Übergang in die Berufswelt gilt die vom Arbeitsmarkt oft gewünschte Arbeitserfahrung, die weder eine Studienabgängerin noch ein Schulabgänger aufweisen kann.
Die Jungen diskutieren in den Gruppengesprächen ausführlich über ihre zermürbenden Erfahrungen diesbezüglich und berichten, dass Erfahrung und Noten oft keine Rolle spielen. Stattdessen kommen Beziehungen zum Einsatz, die den einen zu einer begehrten Anstellung oder einem Praktikumsplatz verhelfen und die anderen aufgrund einer Begünstigung anderer ausschliessen. Mit umso grösserem Stolz berichten die Jungen im Gespräch darüber, wenn sie eine Stelle ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Namens und ihres familiären Beziehungsnetzes aus eigener Anstrengung und aufgrund der eigenen Leistung ergattert haben.
Diese eigenen, individuellen Erfahrungen in der Schule, Ausbildung oder am Arbeitsplatz führen bei den Jungen zu einem Gespür für die feinen sozialen Strukturmerkmale und Macht- und Herrschaftsdynamiken in Liechtenstein. Die Jungen erfahren und beobachten, dass die Bedeutung der Herkunft, die Zugehörigkeit und das Kapital der Familie, machtvoll Zugänge und Chancen zu Bildung und zum lokalen Arbeitsmarkt eröffnen oder behindern können. Die jungen Menschen sind sich ihres Platzes im sozialen Gefüge des Landes bewusst. Sie wissen dabei durchaus um ihr Privileg, dass sie in einem sehr wohlhabenden Land leben und gerade mit einem Blick über die Landesgrenzen hinaus beste Rahmenbedingungen vorfinden.
Ein stolzer und ein sorgenvoller Blick auf die Wirtschaft
Die Jungen erwähnen die Wirtschaftskraft des Landes mit Stolz an mehrfacher Stelle. Sie prägt das Bild der Jungen in Liechtenstein. Es sind denn auch die grossen wirtschaftlichen Unternehmen und die lokalen Banken, die ein grosses Vertrauen bei der jungen Bevölkerung geniessen. Zum einen wird dabei aus individueller Warte mit Sorge um einen sicheren Arbeitsplatz und wegen der Frage, ob die eigenen Ansprüche denn auch in der künftigen Arbeitswelt genügen, ein fragendes und unsicheres Zukunftsbild gezeichnet. Zum anderen zeigen sich die Jungen in den Gruppengesprächen besorgt, ob künftige Unternehmen überhaupt den teuren Standort Liechtenstein behalten wollen oder können und sie nicht mittelfristige Verlagerungen in andere Regionen vornehmen. Dieses vieldeutige Bild zeigt, dass die Vertrauensfrage, die symbolische und reale Grösse der Wirtschaft von den Jungen vor dem Hintergrund der eigenen Erfahrungen, der gesellschaftlichen Umbrüche und der anstehenden Zukunftsprognosen und -ängste zu lesen ist.
Vertrauensrangliste: Dem Fürstenhaus wird sehr grosses Vertrauen zugesprochen
Ganz oben auf der Rangliste des Vertrauens stehen der Erbprinz und der Fürst. Die Jungen fühlen sich selbstverständlich der Erbmonarchie zugehörig. Sie zeigen sich mit der jetzigen Staatsform zufrieden und sehen in demokratischen Formen die bestmögliche Zukunft für eine Gesellschaft.
Bei der Identifikation mit dem Fürstenhaus zeigen sich in den Gruppeninterviews folgende Erfahrungen und Einstellungen der jungen Menschen: Die Nähe und Sympathie zum Fürstenhaus konstituiert sich auf der alltäglichen Erfahrungsebene vorwiegend durch das unkomplizierte und wenig prätentiöse Auftreten des Erbprinzen. Die institutionelle Repräsentation wird vorwiegend durch formale Distanz und feierlichen Habitus des Fürstenhauses an wenigen offiziellen Auftritten erlebt. Die politische Macht des Fürstenhauses und ihre Verankerung werden von den Jungen in einem Punkt, nämlich dem Veto-Recht, diskutiert. Es steht aber kein akutes brisantes Thema an. In der jetzigen Situation vermittelt das Fürstenhaus somit den Jungen trotz dieser Kritik Sicherheit und Vertrauen.
Grundsätzlich an Politik interessiert, aber wenig Vertrauen in die lokale Politik und Regierung
Die Jungen zeigen zwar ein prinzipielles Interesse am politischen Geschehen in Liechtenstein und gar etwas mehr noch an den Ereignissen ausserhalb der Landesgrenzen und im internationalen Kontext. Die wichtigsten Informationsquellen dazu suchen und finden sie online. Prägend für dieses Interesse und Informationsverhalten der Jungen sind Geschlecht, Schicht und Herkunft. Die jungen Männer der Oberschicht ohne Migrationshintergrund oder mit einer Herkunft aus Deutschland, Österreich und der Schweiz sind am neugierigsten. Die politischen Player im Land und die Politik sind für die meisten Jungen eher abstrakte Grössen und relativ weit weg vom eigenen Alltag. Wenn es um ihre eigenen Anliegen geht, fühlen sich die jungen Menschen zu wenig vertreten und sehen eine geringe Wahrnehmung ihrer Interessen. Dabei bewegen die Jungen in Liechtenstein am drängendsten Themen zur «Jugend», «Bildung, Wissenschaft und Forschung» und «sozialen Absicherung, Altersversorgung und Renten».
Generationenfragen beschäftigen und Kontakte mit Alten bereichern den Alltag
Die Beziehung zur älteren Generation ist von der persönlichen Erfahrung geprägt. Junge Menschen treten mit älteren Menschen vorwiegend im familiären und nachbarschaftlichen Umfeld in Kontakt. Diese Beziehungen werden als eine Bereicherung wahrgenommen, sie sind weitestgehend entspannt und unterliegen den jeweiligen familiären Dynamiken und Verpflichtungen. Diesen positiven Erfahrungen stehen die Herausforderungen der Altersversorgung gegenüber. Sie erscheinen den Jungen enorm, werden direkt in der Schule, am Ausbildungs- und Arbeitsplatz verhandelt oder medial vermittelt. Dabei überwiegt die Meinung, dass es sich um eine zu lösende Herausforderung auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene handelt, die für Junge in ihren individuellen Alltagen vorerst einmal ein längeres Arbeitsleben und weniger Leistungen für sie selbst im Alter mit sich bringen wird.
Zufriedenheit und Ängste
Trotz der ausgesprochenen Sorgen und Ängste sind die Jungen in Liechtenstein mit ihrem eigenen Leben weitestgehend zufrieden und schätzen ihre persönliche Zukunft als eher gut ein. Der Blick auf die Zukunft der Gesellschaft fällt etwas verhaltener und weniger zuversichtlich aus. Wobei die Einschätzung der jungen Frauen deutlich skeptischer ist als die Beurteilung der jungen Männer.
Einleitung
Junge Menschen prägen die Gegenwart und sind zugleich massgeblich für die Zukunft der Gesellschaft. Als Teil der facettenreichen Gesellschaft begegnen sie mit ihren Normen, Werten und Handlungsweisen den anstehenden Herausforderungen. Umso wichtiger ist es, mehr über die Einstellungen, Erfahrungen und Werte der Jungen zu wissen und ihnen dadurch eine Stimme zu verleihen.
Die «Jugend» wird immer wieder rege in gesellschaftspolitischen, kulturellen, medialen und wissenschaftlichen Debatten verhandelt. Oft werden dabei Bilder von Generationen gezeichnet, die den Jungen mit problematisierendem Fokus begegnen und damit einhergehende Konflikte und Unterschiede betonen. Geprägt werden solche Bruchstellen etwa durch Diskussionen um einen Wertewandel der jüngeren Generation und eine Positionierung der Jugend als Gegen- und Subkultur.
Die Jugendstudie in Liechtenstein will explizit eine differenzierte und keine polarisierende, krisenhafte Zeitdiagnose zeichnen. Sie hebt die Vielfalt und Komplexität der Lebenssituationen der Jungen hervor. Die offen gestellten Fragen nehmen zudem die spezifischen Umstände mit den damit verbundenen Nöten, Sorgen und Freuden des Alltags und der Statuspassage der Jungen in den Blick.
Das Feld der Untersuchungen zu jungen Menschen heute ist breit. Eine Sichtung verschiedener Studien verdeutlicht, wie sie mit je eigener Perspektiven – mal thematisch breiter, mal eingeengter, mal einmalig, mal sich wiederholend mit Langzeitdimension – und unter Zugriff von unterschiedlichen Methoden, diverse Bilder zu
«Jugend» zeichnen. Sie machen deutlich, dass es «die Jugend» nicht gibt. Trotzdem werden bestimmte dem Lebensalter und der spezifischen Statuspassage geschuldete Aspekte herausgeschält, die Junge allenfalls von der vorherigen Generation unterscheidet. Die Liechtensteiner Studie fokussiert die 16- bis 25-Jährigen – als Menschen einer bestimmten Altersspanne und in einer bestimmten Lebenssituation. Ein weiteres gemeinsames Kriterium für diese Untersuchung ist der Wohnort Liechtenstein im Frühjahr 2017. Die Anlage und lokale Verankerung folgt der Logik vieler medial und öffentlich verhandelter Sozialberichterstattungen, die oft auf gross angelegten, breiten Surveys basieren, eine gewisse Zukunftsprognose zu versprechen scheinen und allfälligen Handlungsbedarf auf verschiedener, gesellschaftlicher Ebene signalisieren. Hervorheben lassen sich an dieser Stelle ein paar ausgewählte, die Liechtensteiner Studie inspirierende Anlagen der Nachbarländer: die «Shell-Studie» zu Deutschland, das «CS-Jugendbarometer» der Schweiz und die Studie «Lebenswelten – Werthaltungen junger Menschen in Vorarlberg 2016». Auf der internationalen Ebene liefert etwa die «Global Shapers Annual Survey» des World Economic Forum zusätzliche, interessante Hinweise. Diese Sozialberichterstattungen nehmen «Jugend» als selbstständige Lebensphase wahr und untersuchen mittels umfassender Datensätze Einstellungen und Wertehaltungen junger Menschen.
Situierung und Ziel der Liechtensteiner Studie
Die «Liechtensteiner Jugendstudie» wird im Jahr 2017 erstmals aufgrund der Initiative und Mittel privater natürlicher Personen aus dem Fürstentum durchgeführt. Sie untersucht die Situation der jungen Menschen in Liechtenstein mit dem Ziel, mehr zu deren Einstellungen, Werten und Erfahrungen zu erfahren. Die Studie wurde wissenschaftlich unabhängig und politisch neutral konzipiert, durchgeführt, ausgewertet und aufbereitet. Dafür verantwortlich zeichnet das Center Geistes- und Kulturwissenschaften der Universität Liechtenstein.
Im Sinne einer Sozialberichterstattung wurden im Frühsommer in einer online durchgeführten Befragung die Wünsche und Erwartungen der 16- bis 25-Jährigen ermittelt. In diesem ersten Teil kam eine breite thematische Palette an Fragen etwa zu Politik, Wirtschaft, Bildung, Berufsaspiration, Online- und Offlinewelten und Freizeit zur Sprache. Im zweiten Studienteil wurden aufgrund der in der standardisierten Befragung genannten Erfahrungen spezifische Aspekte zu Politik, Vertrauen in Institutionen und zum generationenübergreifenden Zusammenhalt vertiefend mittels zweier Gruppengespräche erforscht.
Die nun frei zugänglichen vorliegenden Ergebnisse bieten zum einen Einblicke in die Situationen und Befindlichkeiten der Jungen. Dabei werden die gegenwärtigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse aus der Sicht der 16- bis 25-Jährigen in Liechtenstein dokumentiert. Zum anderen beleuchten die Ausführungen gezielt die besondere gegenwärtige Situation der Jungen in Liechtenstein. Die Berichterstattung ermöglicht weiterführende Vergleichsmöglichkeiten mit ähnlichen Studien in den Nachbarländern und bietet unterschiedliche Hinweise für weiterführende wissenschaftliche Studien und Diskussionen. Dabei will die Jugendstudie auch Denkanstösse für gesellschaftspolitisches, wirtschaftliches und kulturelles Handeln geben, eine Entscheidungsgrundlage liefern und sie lädt dazu ein, anstehende Herausforderungen verantwortungsvoll, gemeinsam und umsichtig in den Blick zu nehmen.
Begriff der «Jugend» und Relevanz der Jungen
Die Verwendung des «Jugendbegriffs» dieser Studie ist pragmatisch. Er zielt auf die Alterspanne der 16- bis 25-Jährigen. Sie befinden sich alle aufgrund ihres Alters in einer bestimmten Phase in ihrem Lebenslauf, bewegen sich in der Übergangsphase des Status von «jugendlich» zu «erwachsen». Das Durchlaufen einer spezifischen Statuspassage im Lebenslauf ist den Jungen gemein, aber sie sind keineswegs als homogene Gruppe zu verstehen. Ihre Meinungen, Erfahrungen, Lebenssituationen, Alltage und Wertehaltungen sind vielfältig und verschieden. «Die Jugend» gibt es nicht. Trotzdem kann von spezifischen, der Generation geschuldeten Logiken der Jungen in Liechtenstein gesprochen werden, die sich zum jetzigen Zeitpunkt an einem bestimmten Ort und Kontext bewegen.
Die gesellschaftliche Relevanz der Jungen scheint unbestritten. In Liechtenstein sehen sich Junge, wie in den meisten industrialisierten Ländern, aufgrund der demografischen Entwicklung und als Altersgruppe in einer Minderheit. Die Bewältigung aller anstehenden drängenden Fragen, die einzelne Gesellschaften und transnationale Verflechtungen betreffen, werden nicht zuletzt massgeblich von den jungen Menschen und ihren Handlungsweisen abhängig sein.
Vorgehensweise und Methodik
Die Liechtensteiner Jugendstudie ist zweiteilig konzipiert. Sie besteht aus einem standardisierten quantitativen Teil, der als Online-Befragung mittels standardisiertem Fragebogen umgesetzt wird. In der Erweiterung werden mittels zweier Gruppengespräche ausgewählte Themen qualitativ vertieft.
In ihrem quantitativen Teil stützt sich die Studie auf eine durchgeführte Online-Befragung. Die Erhebung lehnt sich in ihren Inhalten an anderen, bereits oben erwähnten vergleichbaren Untersuchungen an und übernimmt in weiten Teilen formulierte Fragen, die integriert und hinsichtlich lokaler Spezifika adaptiert wurden.
Im Gegensatz zu den erwähnten Untersuchungen wurde in der liechtensteinischen die ganze Grundgesamtheit zur Teilnahme eingeladen. Es wurden alle in Liechtenstein wohnhaften Menschen mit den Jahrgängen 1992 bis 2001 postalisch zur Teilnahme an der Online-Befragung aufgerufen. Damit wird nicht nur eine Gruppe von jungen Menschen in den Blick genommen, sondern alle haben ungeachtet ihres Schul- und Ausbildungsstatus, ihrer Herkunft oder ihrem Wohnort theoretisch die gleiche Möglichkeit, an der Umfrage teilzunehmen.
Insgesamt wurden 4504 Personen persönlich angeschrieben. Die Adressen wurden dafür einmalig mit Unterstützung der Regierung und unter strengen Auflagen des Datenschutzes zur Verfügung gestellt. Die Durchführung der Online-Umfrage erstreckte sich vom 23. Mai bis 25. Juli 2017. Beteiligt haben sich gut 10% der Grundgesamtheit, nämlich 487 Personen, wobei diese Gruppe in mehreren Hinsichten bereinigt wurde.
Personen, die zu früh die Befragung abgebrochen haben oder keine oder nur unzulängliche sozialstatistische Angaben gemacht haben, wurden nicht weiter berücksichtigt, sodass schliesslich 354 Personen das Sample ausmachen. Bei dieser Verteilung zeigt sich bezüglich Alter, Wohnort, Schul- und Ausbildungsstatus eine ähnliche Sozialstruktur wie in der Grundgesamtheit.
Durch diese Vorgehensweise bildet das Sample die Heterogenität der liechtensteinischen Gesellschaft adäquat ab. So stehen die Ergebnisse der Studie nicht nur für eine bestimmte Gruppe junger Menschen, sondern lassen sich, mit kleinen Einschränkungen, auf alle Personen verallgemeinern.
Wie Tabelle 1 veranschaulicht, sind im Sample die Jahrgänge 1992 bis 2001 gleichmässig abgebildet. Auch sind Befragte aus allen Wohngemeinden des Landes vertreten. Neben Schülerinnen, Schülern und Studierenden ist auch eine stattliche Zahl an arbeitstätigen Personen und Lernenden Teil des Samples. Beim Geschlecht ist hingegen keine ausgewogene Verteilung feststellbar: weibliche Befragte sind überproportional vertreten. Auch sind junge Menschen muslimischen Glaubens in geringerem Ausmass vertreten, als sie dies in der Grundgesamtheit sind.
Um die Heterogenität der liechtensteinischen Gesellschaft und die verschiedenen Lebenslagen junger Menschen in der Analyse berücksichtigen zu können, wurden neben den sozialstatistisch erhobenen Merkmalen, Indexe gebildet, die Gruppenvergleiche ermöglichen. Einbezogen werden hierfür die soziale Schicht und der Migrationshintergrund; zudem wird die politische Einstellung berücksichtigt.
Die soziale Schicht der Befragten wird mittels Summenindex erstellt. Er basiert auf dem Vorhandensein kultureller Fähigkeiten respektive Bildung sowie ökonomischem Kapital. Er trägt damit der unterschiedlichen Verteilung dieser «Vermögen» in der liechtensteinischen Gesellschaft Rechnung. Der Index lehnt sich an die Konzeption der sozialen Schicht in der deutschen Shell-Jugendstudie an. Die Bildungsposition wird über den «höchsten Schulabschluss» des Vaters bestimmt sowie über die subjektiv geschätzte Anzahl der Bücher, die bei den Eltern vorhanden sind respektive waren. Die materiellen Ressourcen bestimmen sich über die «Wohnsituation in der Kindheit» sowie die subjektive Einschätzung der «persönlichen finanziellen Lage». Mittels Summenindex werden die Befragten in drei Gruppen zusammengeführt. Je nach Menge an Bildungskapital und materiellen Ressourcen werden die Personen den Kategorien «untere», «mittlere» und «obere» Schicht zugeordnet (siehe Tabelle 2).
Das soziale Merkmal des Migrationshintergrundes beschreibt Personen, deren Eltern aus dem Ausland nach Liechtenstein eingewandert sind. Eine Person hat dann einen Migrationshintergrund, wenn mindestens ein Elternteil im Ausland geboren wurde. Zur Differenzierung unterscheidet die vorliegende Studie zwischen dem nahen Ausland – Deutschland, Österreich, Schweiz – und dem sonstigen Ausland, das alle anderen Länder umfasst. Dementsprechend werden drei Gruppen gebildet: Befragte «ohne Migrationshintergrund», mit Migrationshintergrund «DACH» (Apronym aus Deutschland, Austria und Confoederatio Helvetica) sowie mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» (siehe Tabelle 2).
Die politische Einstellung der jungen Menschen wird über ihre eigene Zuordnung im politischen Spektrum konzipiert. Damit finden ihre Grundeinstellungen und Wertvorstellungen nicht nur politischer Art in der Studie Berücksichtigung. Im Fragebogen konnten sich die Befragten verschiedenen politischen Einstellungen zuordnen, wobei mehrere Antworten möglich waren. Die Vorgaben waren: konservativ, progressiv, liberal, traditionell, sozial, grün, nationalistisch, internationalistisch. Aus den Stellungnahmen wurden mittels Clusteranalyse drei Gruppen gebildet, die sich in ihrem Antwortverhalten möglichst stark unterscheiden. Bezeichnet werden die Gruppen nach der stärksten Zustimmung als «konservativ-traditionell», «sozial-liberal» und «grün-progressiv» (siehe zur Verteilung Tabelle 2, zudem den Abschnitt politische Anschauungen im Kapitel «Politische Welten»).
Die Auswertung erfolgte mithilfe der Statistiksoftware SPSS, erhobene Daten wurden vorwiegend durch Häufigkeits- und Kreuztabellen, punktuell mittels Faktorenanalyse systematisch beurteilt.
Neben den Haltungen, Stellungnahmen und Aktivitäten aller Befragten, interessiert sich die Studie insbesondere für Unterschiede zwischen den jungen Menschen, etwa aufgrund des Geschlechts, des Alters, des Arbeits- und Ausbildungsstatus, der sozialen Schicht, des Migrationshintergrundes oder auch der politischen Einstellung. Die Studie teilt die Perspektive einer empirischen Sozial- und Kulturwissenschaft, die verstärkt soziale Strukturmerkmale, durch die die Meinungen, Einstellungen und Handlungen von jungen Menschen präformiert werden, in den Blick nimmt.
Die im Text präsentierten Unterschiede zwischen Gruppen von Befragten sind allesamt signifikant. Das bedeutet, dass ein gemessener Unterschied zwischen zwei Gruppen im Sample nicht einfach zufällig auftritt, sondern auch für die Grundgesamtheit mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent gilt.
Im zweiten Teil werden mittels eines qualitativen Zugangs drei Themen in zwei Gruppengesprächen mit 4 und 5 Personen erneut aufgegriffen. Hier ist die Grundhaltung der Forschenden «einem Forschen auf Augenhöhe» verpflichtend. Es wird ein interpretativer Ansatz gewählt, der Wirklichkeiten entlang von den ausgesuchten, erneut aufgegriffenen Themen konstruiert. Die subjektiven Sichtweisen der jeweiligen Teilnehmenden der Gruppengespräche zeigen Erfahrungen hinter den Antworten und machen Gründe, die den Daten zugrunde liegen mittels differenzierterer Aussagen sichtbar. Somit werden die quantifizierbaren Aussagen der Online-Befragung mit qualitativen Aussagen der Gespräche als interpretierbare Realitäten und mit verschiedenen Bedeutungszuweisungen kontrastiert. In der Kombination der beiden Methoden werden relevante Dimensionen und weiterführende Themen besonders deutlich.
Folgende Themen werden für eine vertiefte Behandlung aufgrund der pointierten und gesellschaftsrelevanten Aussagen der Online-Befragung und laufender Diskussionen in der Theorie ausgewählt: Vertrauen in Institutionen der Politik und Wirtschaft sowie generationenübergreifende Kontakte und Zusammenhalt. Entlang des halbstrukturierten Leitfadens, der zu bestimmten Themen leitet und eine offene Reaktion und Dynamik ermöglicht, fanden Ende September 2017 zwei Gespräche à 100 Minuten an der Universität Liechtenstein statt. Die Teilnehmenden konnten aus dem Pool der 170 Freiwilligen in der Online-Befragung rekrutiert werden. Die beiden Gruppen zeigten sich in den Gesprächen als heterogen was Alter, Geschlecht, Bildungs- und Berufssituation betrifft, die Schicht und politische Einstellung lassen ebenfalls Unterschiede annehmen.
Die Gespräche wurden aufgenommen und anschliessend transkribiert. Es folgte ein inhaltsanalytisches und thematisches Codieren. Die Auswertung mündete schliesslich in einer Aufbereitung als Exkurs, die eine Vertiefung zum standardisierten verallgemeinernden Teil darstellt. Im Bericht sind diese Auswertungsteile als Exkurse gekennzeichnet und befinden sich innerhalb der einzelnen thematischen Kapitel.
Themenfelder
1. Freizeit
Die Freizeit junger Menschen ist geprägt vom Kontakt mit Gleichaltrigen. Vermehrt findet dieser Kontakt auch über soziale Netzwerke im Internet statt. Musik hören und Sport betreiben ist zudem von hoher Relevanz. Die Freizeitgestaltung der Jungen ist sehr unterschiedlich. Insbesondere zwischen den Geschlechtern gibt es grosse Unterschiede. Während für junge Frauen gesellige Tätigkeiten wichtiger sind, spielen für junge Männer technikbezogene Aktivitäten eine grössere Rolle. Junge Menschen sind in hohem Ausmass in Vereinen engagiert.
Zum Kapitel «
2. Online
Das Internet ist für junge Menschen zum ständigen und selbstverständlichen Begleiter geworden. Mehrere Stunden täglich online zu sein, ist für drei Viertel der Jungen alltägliche Realität. Die Zugänglichkeit zu Online-Welten ist von hoher Bedeutsamkeit. Soziale und kommunikative Aspekte stehen bei der Internetnutzung im Vordergrund. Das Internet ist zudem eine Informationsquelle und ein Raum des medialen Konsums.
Zum Kapitel «
3. Werte
Gelingende soziale Beziehungen sind die wichtigsten Dinge im Leben junger Menschen. Sie wollen zudem das Leben in vollen Zügen geniessen und dabei eigenverantwortlich leben und handeln. Während sie mit dem eigenen Leben recht zufrieden sind und die persönliche Aussichten positiv einschätzen, sind die 16- bis 25-Jährigen, was die Zukunft der Gesellschaft betrifft, skeptischer eingestellt. Am wenigsten Sorgen macht jungen Menschen Kleinkriminalität und Zuwanderung.
Zum Kapitel «
4. Beruf und Bildung
Die grosse Mehrheit der Jungen ist sich sicher, ihren Wunschberuf verwirklichen zu können. Gleichzeitig herrscht eine Skepsis vor, was die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt betrifft. Auch ist die Sorge verbreitet, den Anforderungen im Job nicht gewachsen zu sein. Am wichtigsten ist den jungen Menschen ein sicherer Arbeitsplatz und die Möglichkeit, etwas Sinnvolles mit der beruflichen Tätigkeit ausüben zu können.
Zum Kapitel «
5. Politik
Junge Frauen sind deutlich weniger an Politik interessiert als junge Männer. Ebenso wirken sich die soziale Schicht und der Migrationshintergrund auf das politische Interesse aus. Die Jungen unterstützen fast uneingeschränkt die Demokratie. Die konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage ist die im Vergleich mit anderen Staatsformen beliebteste. Gleichwohl fühlen sich die 16- bis 25- Jährigen mehrheitlich von der Politik unverstanden.
Zum Kapitel «
6. Vertrauen
Das Vertrauen der Jungen in die abgefragten gesellschaftlich relevanten Institutionen ist relativ gross. An höchster Stelle nennen die Befragten die Monarchie mit dem Fürstenhaus. Auf dieser Liste des Vertrauens rangieren zudem die lokalen Grossbanken und die im Lande ansässigen Grossunternehmen sehr weit oben. Auf abgeschlagenen Positionen finden sich Politik, Regierung und Parteien. Noch weniger vertrauen die Jungen den Medien oder der Kirche.
Zum Kapitel «
7. Generationen
Der demografische Wandel macht den jungen Menschen in Liechtenstein Sorgen. Die Jungen sehen dadurch grosse Probleme auf sie zukommen, die sie überfordern. Als persönliche und gesellschaftliche Herausforderung betrachten sie die Altersversorgung und Finanzierung der Vorsorge. In ihren Alltagen begegnen die Jungen alten Menschen vor allem im familiären Kontext, sie erleben diese Beziehungen meist unbeschwert und wenig problematisch.
Zum Kapitel «
8. Liechtenstein und die Welt
Die Jungen schätzen das eigene Land aufgrund verschiedener Qualitäten, insbesondere wegen der schönen Landschaften und des sozialen Zusammenhalts. Die Rolle Liechtensteins in der Welt stufen sie mehrheitlich als relativ gering ein. Im eigenen Wohnumfeld sind die jungen Menschen gegenüber neuen Nachbarinnen und Nachbarn relativ gleichgültig. Deutlicher negativ eingestellt sind sie gegenüber türkischen oder syrischen (Flüchtlings)Familien wie auch Studierenden.
Zum Kapitel «