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Der Bitcoin-Boom und die Zuversicht zum Unbekannten

Die Kryptowährung Bitcoin hat in den vergangenen Monaten eine Kursrallye hingelegt. Auf Jahressicht hat sich ihr Kurs zeitweise mehr als verfünffacht. Finanzmarktregulierer warnen ob der starken Kursschwankungen immer wieder vor einer Anlage in Kryptowerten. Bedarf es gesetzlicher Vorgaben? Dieser Frage widmet sich der Jurist Dr. Rainer Silbernagl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bank- und Finanzmarktrecht.

 

Die Frage, ob Geld und dessen Ausgabe, die einer der Zentralpunkte staatlicher Macht ist, nun zu einer privat(rechtlich)en Angelegenheit wird, ist nach den Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und der Abschaffung des Goldstandards keine überraschende. Dass staatliches Geld alleiniges Zahlungsmittel ist und immer schon alleinige Verwendung findet, ist aber eine Meistererzählung, die nicht haltbar ist. Es gab und gibt Komplementärwährungen, die neben dem staatlichen Geldsystem parallel existieren – beispielsweise Chiemgauer, Schwundgeld, Muschelgeld und Disney Dollar – und einen regionalen oder eingeschränkten Zahlungsmarkt bedienen. In eine ähnliche Kerbe schlagen die Kryptowährungen. Kryptowährungen umgibt eine gewisse Mystik, im Wesentlichen bestehen sie, zumindest rechtlich, aus wenigen und eigentlich überschaubaren Ingredienzien: Sie bedienen einen digitalen und zumeist sehr eingeschränkten Markt, die Teilnehmer wissen (zumeist), dass sie sich auf eine sehr volatile und schwankungsintensive Währung einlassen, da es an einer zentralen Regelungsstelle oder stabilen Werthinterlegung fehlt, und die Teilnehmer vereinbaren – schlüssig, konkludent oder gelegentlich ausdrücklich –, dass sie mit der Annahme dieser Währung als schuldbefreiender Zahlung einverstanden sind.

 

Kein Annahmezwang

Gerade aber im Leistungsaustausch der Bürger kann (und wird) dieser schuldbefreiende Austausch zu Problemen führen, denn es fehlt diesen (digitalen) Währungen am Annahmezwang des staatlichen Geldes. Das heißt: Wer immer seine Schulden durch Bitcoin oder Ähnliches begleichen möchte, lebt in der Gefahr, dass der Vertragspartner doch lieber staatliches Geld zur Erfüllung einer Schuld haben möchte, und trägt damit das Risiko, nicht schuldbefreiend zahlen zu können. Kryptowährungen müssen, im Gegensatz zu gesetzlichen Zahlungsmitteln, nicht angenommen werden.

Gesetzliche Zahlungsmittel beinhalten Scheidemünzen (Scheidemünzengesetz) und von der Oesterreichischen Nationalbank (Nationalbankgesetz) oder der EZB (Eurogesetz) ausgegebene Euro-Banknoten. Der Schutz dieses Geldes umfasst strafrechtlich (§§ 232 ff StGB) auch die gesetzlichen Zahlungsmittel anderer (Mitglieds-)Staaten.

 

Anlassfall Libra

Der vom deutschen Finanzminister Olaf Scholz in einer kleinen Anfrage angesprochene Gedanke, nämlich dass "die Herausgabe einer Währung nicht in die Hände eines Privatunternehmens gehört, denn sie ist ein Kernelement staatlicher Souveränität", trifft den Kern des Problems mit Kryptowährungen. Diese Aussage zielte zwar auf Libra, die von Facebook angekündigte weltweite Kryptowährung, ab, trifft aber auf alle Kryptowährungen zu.

Aber ganz so dramatisch stellt sich die Situation wahrscheinlich gar nicht dar. Libra eignete sich deshalb als Anlassgrund dieser auch von anderen Staaten getragenen Überlegung, da es weltweit agieren möchte und mehrere global agierende Unternehmen vereint. Damit hat es die Chance, einen die Einwohnerzahl der meisten Staaten bei weitem übertreffenden Kundenkreis zu akquirieren.

 

Kein rechtsfreier Raum

Bisherige Aufarbeitungen des Themas Libra haben ergeben, dass die Architektur der Finanzmarktaufsicht durchwegs die Möglichkeit hat, Kryptowährungen zu regulieren. Zudem, wenn die Libra als Payment Token ausgestaltet wäre, insbesondere wenn sie als Asset Backed Token mit Realwerten (staatlichen Währungen) hinterlegt ist, wäre eine Regulierung einerseits als Geldmarktfonds, andererseits eine Anwendung des Zahlungsdienstgesetzes durchwegs vorstellbar. Ein gänzlich rechtsfreier Raum tut sich also schon bislang nicht auf.

Da die regulatorische Ebene aber die Zulassung am Finanzmarkt im Auge hat und damit eine Stufe des Kundenschutzes ist, werden sich die zentraleren juristischen Fragen von Kryptowährungen auf der zivilrechtlichen Ebene ergeben – und auf der menschlichen Ebene des Vertrauens. Diese Zuversicht zum Unbekannten ist die wesentliche Säule von Währungen, deren Schwankungen und geopolitische Zusammenhänge der Fachperson schon nebulös, dem Fachfremden aber höchst verschlossen sind. Ein besonders intensives Augenmerk aber sollte die Aufsicht bei Kryptowährungen wegen der leichten Möglichkeit zur Geldwäscherei haben, da eine hohe anonymisierte Handelbarkeit gegeben ist.

Ein Vertrag, bei dem eine Kryptowährung als Gegenleistung vereinbart wird, wird einen atypischen Vertrag darstellen, die Merkmale eines Kaufvertrags (§ 1053 ABGB) wird er mangels Charakterisierung eines Kryptoassets als gesetzliches Zahlungsmittel nicht aufweisen. Punktuelle Ergänzungen zum Kundenschutz, so sie nicht schon von europäischer Ebene kommen, werden gesetzgeberisch notwendig werden. Eine Anerkennung oder Gleichstellung als gesetzliches Zahlungsmittel werden Kryptowährungen aber wohl nicht erhalten.

 

Mit diesem Text hat Rainer Silbernagl den Aufsatzwettbewerb "Die Zukunft des Geldes" gewonnen, veranstaltet vom STANDARD und dem Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien. Die Jury: Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgó, Univ.-Prof. Dr. Magdalena Pöschl (beide Universität Wien) und Dr. Michael Rami (Richter am Verfassungsgerichtshof, Wien).