Beruf

Die grosse Mehrheit der Jungen ist sich sicher, ihren Wunschberuf verwirklichen zu können. Gleichzeitig herrscht eine Skepsis vor, was die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt betrifft. Auch ist die Sorge verbreitet, den Anforderungen im Job nicht gewachsen zu sein. Am wichtigsten ist den jungen Menschen ein sicherer Arbeitsplatz und die Möglichkeit, etwas Sinnvolles mit der beruflichen Tätigkeit ausüben zu können.

Der Einstieg in das Berufsleben ist für junge Menschen ein wichtiger Moment, da die weitere Zukunft in hohem Masse von dieser «ersten Entscheidung» beeinflusst wird. Das persönliche Fortkommen und die individuellen Entwicklungschancen ebenso wie mögliche Nachteile hängen erheblich von der Berufswahl und der Grundbildung ab.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die Wege in den Beruf verändert. Die Phase des Erwachsenwerdens hat sich insbesondere wegen der Ausweitung und Fragmentierung der Bildungsphase verlängert. Zudem werden junge Menschen bei ihrem Eintritt in die Berufswelt mit Chancen und Zwängen konfrontiert, die die Auswirkungen von Globalisierung, technologischer Innovation und raschem beruflichen Wandel widerspiegeln. Mit den sich rasch verändernden Technologien und Anforderungsprofilen können die Berufstätigen nicht mehr erwarten, einen einzigen Beruf zu wählen und einen erkennbaren «Karriereweg» innerhalb der gleichen Branche zu verfolgen. Sie erleben stattdessen mehrfache berufliche Veränderungen, den Zwang zur Um- und Weiterbildung mit zu erlangenden Zertifikaten und Abschlüssen, um auf den hart umkämpften Arbeitsmärkten (über)lebensfähig zu bleiben. Anstatt bestehende bzw. vorgegebene Karrierewege zu verfolgen, müssen die Einzelnen ihre eigene Berufslaufbahn gestalten.

Die Übergänge von der Ausbildungsphase in die Erwerbsphase sind nicht konfliktfrei, sondern können vielmehr von Verdrossenheit und Versagensängsten geprägt sein, insbesondere dann, wenn «Arbeitslos-sein» wie in Liechtenstein keine normativ nachvollziehbare Option darstellt. Im Fürstentum treffen die jungen Menschen eine Situation vor, die von einer niedrigen Jugendarbeitslosigkeit geprägt ist. Diese betrug im Jahr 2015 bei den 14- bis 25-Jährigen 3.0 Prozent. Vergleicht man die Situation mit anderen europäischen Staaten, muss die Lage in Liechtenstein als aussergewöhnlich gut beurteilt werden. Beispielsweise weist Österreich im April 2017 eine Jugendarbeitslosenquote von 10.1 Prozent aus; die Schweiz hat einen ähnlich niedrigen Anteil wie Liechtenstein. 

 

Schule und Wege in den Beruf

Die Zugänge zu guten Stellen am Arbeitsmarkt erfordern heute ein höheres formales Bildungsniveau als früher, eine Tatsache, der sich die jungen Menschen (und ihre Eltern) sehr wohl bewusst sind. So streben 59 Prozent der Befragten einen Fachhochschul- oder Universitätsabschluss an. 18 Prozent wollen einen höheren Bildungsabschluss (Matura, Berufs- oder Fachmatura) erreichen, 13 Prozent streben den Pflichtschulabschluss inklusive Lehre an, weniger als 1 Prozent ist mit einem Pflichtschulabschluss ohne Matura zufrieden. 10 Prozent streben keinen weiteren Abschluss an – etwa die Hälfte davon hat bereits eine Lehre abgeschlossen, 23 Prozent eine Universität oder Fachhochschule, 17 Prozent die Pflichtschule ohne anschliessende Lehre.

Dass die Schule als wichtiger Ort der Vorbereitung auf den Beruf erlebt wird, zeigen auch Fragen, die den Schülerinnen und Schülern im Sample gestellt wurden (siehe Tabelle 24). So teilt die Mehrheit die Ansicht, dass die Schule eine gute Vorbereitung für den späteren Beruf liefert; 18 Prozent stimmen der Aussage sehr, 45 Prozent eher zu. Es wird aber auch deutlich, dass die Schule ein Ort sein kann, der hohe Anforderungen stellt. So stimmen fast zwei Drittel der befragten Schülerinnen und Schüler der Aussage zumindest eher zu, dass die Schule Stress verursacht und sie unter Druck setzt. Dass man in der Schule die wesentlichen Dinge für das spätere Leben lernt, meint schliesslich weniger als die Hälfte der Befragten.

«Was meinen Sie zu den folgenden Aussagen?»

Für die grosse Mehrheit der Befragten scheinen auf den ersten Blick die Hürden relativ gering zu sein, die sie von ihrem Wunschberuf trennen. Fragt man die jungen Menschen nach den Erfahrungen, die sie bereits gemacht haben, zeigen sich Hindernisse, die für eine relativ kleine Gruppe zum Problem geworden sind: 12 Prozent der Befragten geben an, dass es ihnen wegen unzureichender Noten nicht möglich war, einen Beruf zu erlernen. Bei 16 Prozent fehlte für den Wunschberuf der erforderliche Schulabschluss. 10 Prozent verfügen nicht über die notwendigen finanziellen Mittel.

Betrachtet man das Bild differenzierter, werden sehr wohl Hindernisse deutlich. Sie bestehen zum einen aus mangelnden schulischen Qualifikationen: Für fast jeden vierten Arbeitstätigen (24 Prozent) fehlte für die Ergreifung des Wunschberufes der erforderliche Schulabschluss. Bei den Lernenden machten 16 Prozent diese Erfahrung. Es sind hier nicht die Noten, die entscheidend für die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind, sondern das sich in Schultypen und -abschlüssen institutionell verbriefte Bildungskapital, das eine Grenze zieht zwischen den formell weniger und höher Gebildeten.

Zum anderen wird auf fehlende Arbeitsplätze in Liechtenstein hingewiesen: Für 35 Prozent der Arbeitstägigen sowie der Lernenden gibt es für ihren Wunschberuf keine Stellen im Land. Bei den Studierenden, die noch nicht oder zumindest noch nicht voll im Berufsleben stehen, ist dies bei 38 Prozent der Fall. Diese Erfahrung kann als Grund für die positive Einstellung der jungen Menschen gegenüber beruflicher Mobilität genannt werden: Für die 78 Prozent, die sich vorstellen können, für einen interessanten Job ins Ausland zu wechseln, scheint diese Haltung eine notwendige zu sein.

Bei den finanziellen Hürden für den Wunschberuf gibt es, wenn auch in geringem Ausmass, signifikante Unterschiede zwischen den jungen Menschen. So sind für 22 Prozent aus der unteren Schicht fehlende Mittel ein Hindernis für ihren Traumberuf, bei der mittleren Schicht trifft dies nur bei 10 Prozent zu, bei der oberen Schicht bei 6 Prozent der Befragten. Ebenso geben zu geringe finanzielle Mittel signifikant häufiger Befragte mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» (20 Prozent) an als Personen mit Migrationshintergrund «DACH» (8 Prozent) bzw. ohne Migrationshintergrund (7 Prozent).

Chancen und (Selbst-)Einschätzungen zum Arbeitsmarkt

 Trotz der Hürden, die junge Menschen zu überwinden haben, hat die grosse Mehrheit das Vertrauen, ihren Wunschberuf verwirklichen zu können (siehe Tabelle 25). Zwei Drittel sind zuversichtlich, ihre «weiteren und späteren beruflichen Wünsche» zu realisieren. Dabei ist sich über die Hälfte der Befragten dessen «eher sicher», 11 Prozent «sehr sicher». Mit etwa einem Viertel der Befragten ist die Gruppe der Unentschlossenen bei dieser Frage relativ gross. Lediglich 3 Prozent sehen «sehr unsicher» der Erfüllung ihrer beruflichen Wünsche entgegen. «Eher unsicher» ist ein Zehntel der Befragten.

«Wie sicher sind Sie, dass Ihre weiteren und späteren beruflichen Wünsche in Erfüllung gehen?»
Eine grössere Skepsis bei ihrer Einschätzung formulieren junge Frauen. Sie unterscheiden sich signifikant von den männlichen Gleichaltrigen. Während fast drei Viertel der männlichen Befragten «sehr» oder «eher sicher» davon ausgehen, ihre beruflichen Wünsche erfüllen zu können, geben dies bei den weiblichen Befragten etwas mehr als die Hälfte an. Zudem sind sie bei der Beantwortung der Frage unentschlossener; fast 30 Prozent antworten mit «teils/teils». 

Ebenso wie das Geschlecht macht die Schichtzugehörigkeit einen signifikanten Unterschied: Junge Menschen, die der oberen Schicht zugeordnet werden, sind signifikant häufiger der Meinung, ihre beruflichen Wünsche verwirklichen zu können als dies Jugendliche aus der unteren Schicht vermuten. 7 bzw. 14 Prozent Unsichere aus der oberen bzw. mittleren Schicht stehen 28 Prozent Skeptische aus der unteren Schicht gegenüber. Während die Zuversicht relativ gross ist, die beruflichen Wünsche erfüllen zu können, kommen bei den Befragten gewisse Zweifel zum Vorschein, wenn es um die subjektiven Chancen geht, sich auf den Arbeitsmärkten behaupten zu können (siehe Tabelle 26).

«Was meinen Sie zu folgenden Aussagen zum Arbeitsmarkt?»

Bittet man die jungen Menschen um ihre Einschätzung, ob es für sie leicht werden wird, einen passenden Job zu finden, sind die Antworten von einer grösseren Skepsis geprägt als bei der Frage nach dem Erreichen der beruflichen Wünsche. Lediglich 7 Prozent stimmen der Einschätzung «sehr zu», dass sie es leicht haben werden, einen passenden Beruf ergreifen zu können. Etwas mehr als die Hälfte, 54 Prozent, ist sich dessen «eher sicher». Ein Drittel stimmt dieser Einschätzung «eher nicht» zu, 5 Prozent sogar «gar nicht». Zusammengefasst bedeuten die Zahlen, dass 4 von 10 jungen Menschen eher nicht daran glauben, einen ihnen entsprechenden Job zu finden. Signifikante Unterschiede gibt es im Antwortverhalten von männlichen und weiblichen Befragten: junge Frauen sind sich bei dieser Frage deutlich unsicherer. Während sich 72 Prozent der jungen Männer sehr oder eher zutrauen, einen passenden Beruf zu finden, sind es bei den weiblichen Befragten mit 53 Prozent deutlich weniger.

Neben den Zweifeln nach dem passenden Beruf herrscht auch eine gewisse Skepsis vor, den Anforderungen im Job gewachsen zu sein. Fast die Hälfte der jungen Menschen, 47 Prozent, stimmt «sehr» oder «eher» der Aussage zu, dass sie die Sorge umtreibt, den heutigen Anforderungen im Berufsleben nicht gewachsen zu sein. Insbesondere Befragte aus der unteren Schicht formulieren signifikant häufiger diese Besorgnis als Gleichaltrige aus der mittleren und oberen Schicht. Sie stimmen zu fast zwei Drittel (65 Prozent) der Aussage sehr oder eher zu, während es bei der mittleren Schicht 50 Prozent und bei der oberen Schicht 37 Prozent sind. Weibliche Befragte sind, wie bei der Einschätzung nach dem passenden Beruf auch bei dieser Frage deutlich skeptischer als ihre männlichen Altersgenossen. Sie teilen zu 57 Prozent «sehr» und «eher» diese Einschätzung, die jungen Männer hingegen zu 33 Prozent. Die Umwälzungen auf den Arbeitsmärkten, ausgelöst insbesondere durch Digitalisierung, komplexe globale Verflechtungen und technologischen Wandel, hinterlassen Spuren in den Selbsteinschätzungen junger Menschen, die von Skepsis und Ängsten berichten, den neuen und neu vermittelten Ansprüchen im Berufsleben nicht mehr gewachsen zu sein. Insbesondere für die bei dieser Frage skeptischen Jungen scheint die Erfüllung ihrer beruflichen Wünsche oder eine passende Arbeitsstelle in weiter Ferne gerückt zu sein.

Die wirtschaftliche Lage wird nicht als Einflussfaktor auf die eigenen Chancen auf dem Arbeitsmarkt gesehen. Die Einschätzung, es wegen der wirtschaftlichen Lage schwer zu haben, eine gute Arbeit zu finden, teilen nur wenige Befragte. 3 Prozent stimmen dieser Einschätzung «sehr» zu, 19 Prozent «eher». Wiederum unterscheiden sich hierbei männliche und weibliche Junge signifikant: junge Frauen sind eher der Meinung, es schwer zu haben, als junge Männer.

Wird die Frage nicht nach den subjektiven Chancen auf den Arbeitsmärkten gestellt, sondern nach den objektiven Gegebenheiten, erweisen sich bei den jungen Menschen Vorstellungen als dominant, die von Eigenverantwortung und Autonomie der «Marktteilnehmenden» bestimmt sind. Arbeitslosigkeit oder mangelnder beruflicher Erfolg wird als individuelles Fehlverhalten gedeutet. Dabei wird im Sinne einer unternehmerischen Selbstkompetenz Eigeninitiative gefordert und weniger eine sozialstaatlich organisierte Gerechtigkeit.

So stimmen denn vier von fünf Befragten der Aussage zu, dass wer arbeiten will, auch Arbeit findet. 25 Prozent sind «sehr» dieser Meinung, 56 Prozent «eher». Lediglich 4 Prozent stimmen dieser Meinung «gar nicht» zu. Diese Meinung wird durchgängig von allen Befragten geteilt; es gibt keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern oder nach Schicht und Migrationshintergrund.

Ebenso zustimmend sind die Antworten zur Aussage, dass alle mit einer guten Ausbildung einen Job finden können: Dieser Einschätzung stimmen 18 Prozent «sehr» und 53 Prozent «eher» zu. Hierbei sind die weiblichen Befragten skeptischer und stimmen in geringerem Ausmass zu als die männlichen Befragten.

Insofern überrascht es wenig, dass die Einschätzung, die Regierung unternehme zu wenig zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, auf relativ grosse Ablehnung stösst (Tabelle 27). Knapp 70 Prozent stimmen dieser Aussage «eher nicht» (55 Prozent) oder «gar nicht» (14 Prozent) zu. Eine starke Zustimmung gibt es lediglich bei 6 Prozent der Befragten. Knapp ein Viertel stimmt «eher zu». Eine aktivere Rolle der Regierung erwarten insbesondere junge Menschen, die skeptisch sind, was ihre subjektiven Chancen auf dem Arbeitsmarkt betrifft. Je unsicherer die Befragten sind, ihre beruflichen Wünsche erfüllen zu können, je schwieriger es ihnen erscheint, einen passenden Beruf zu finden und je grösser ihre Sorge, den beruflichen Anforderungen gerecht werden zu können, desto stärker wird die Ansicht geteilt, dass die Regierung zu wenig zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit unternimmt. Bei diesen Befragten kommt dem Staat die Aufgabe zu, individuell empfundene Unzulänglichkeiten auszugleichen.

«Die Regierung unternimmt zu wenig zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.»

Zwischen den Befragten gibt es hinsichtlich des Geschlechts, der Schichtzugehörigkeit und dem Migrationshintergrund signifikante Unterschiede. Junge Männer sind weit weniger der Meinung als junge Frauen, dass der Staat zu wenig gegen die Jugendarbeitslosigkeit macht (24 zu 36 Prozent Zustimmung «sehr» und «eher»). Beim Migrationshintergrund unterstützen insbesondere die Befragten mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» diese Aussage; sie stimmen zu 49 Prozent «sehr» und «eher» dieser Einschätzung zu, während es bei den jungen Menschen mit Migrationshintergrund «DACH» 28 Prozent und bei Jungen ohne Migrationshintergrund 24 Prozent sind. Bei der Schichtzugehörigkeit gibt es ebenso eine Kluft zwischen den Befragten: Fast die Hälfte der Personen aus der unteren Schicht (48 Prozent) stimmt dieser Frage «sehr» und «eher» zu, bei jungen Menschen aus der mittleren Schicht sind es 28 Prozent, bei Jungen aus der oberen Schicht 26 Prozent.

Berufsorientierung: Wünsche, Ansprüche und Erwartungen

Erwartungen an die Berufstätigkeit
Im obersten Bereich der Erwartungen stehen ein sicherer Arbeitsplatz und die Möglichkeit, etwas Sinnvolles mit der beruflichen Tätigkeit ausüben zu können (siehe Tabelle 28). Fast alle Befragten beurteilen diese Aspekte als «sehr» oder «eher wichtig» für ihre Zufriedenheit mit dem Beruf, davon knapp zwei Drittel als «sehr wichtig».

«Was müsste Ihnen eine berufliche Tätigkeit bieten, damit Sie zufrieden sein könnten?»

In Zeiten der Flexibilisierung und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse spielt die Verlässlichkeit für junge Menschen eine grosse Rolle, auch in einem Land, in dem die Arbeitslosigkeit sehr gering ist. Auch in anderen Studien spielt die Sicherheit des Arbeitsplatzes eine grosse Rolle. Eine sichere Beschäftigung gilt deshalb als Grundlage für die Zufriedenheit mit der Arbeit, weil sich in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen nur bedingt eine eigenständige Existenz aufbauen und die weitere Statuspassage nicht planen lässt.

Eine hohe Relevanz für junge Menschen haben weitere ideelle Aspekte eines Berufes. So folgt an dritter Stelle das abstrakte Gefühl, «etwas zu leisten». Für mehr als die Hälfte der Befragten ist dieser Nutzen ein elementarer Bestandteil einer Berufstätigkeit. Für 92 Prozent ist dies «sehr» und «eher wichtig».

Auf den Plätzen folgen weitere ideelle Aspekte. So ist das Gefühl, anerkannt zu werden, für knapp die Hälfte der Befragten «sehr wichtig» für die Zufriedenheit mit dem Beruf. Einen ähnlich zentralen Stellenwert nehmen die Möglichkeiten ein, eigene Ideen einzubringen oder etwas Nützliches für die Gesellschaft zu tun.

Materielle Erwartungen an den Beruf, d.h. ein hohes Einkommen, gute Aufstiegsmöglichkeiten sowie ein Job mit Verantwortung spielen in den Vorstellungen der jungen Menschen eine geringe Rolle. So ist lediglich jedem fünften der Befragten ein hohes Einkommen «sehr wichtig». Erwerbsarbeit ist für junge Menschen deutlich mehr als nur ein Mittel zur Einkommenssicherung.

Wenig Relevanz haben für die Befragten soziale Aspekte des Berufes. Ein intensiver Kontakt zu anderen Menschen oder die Möglichkeit, sich um andere Menschen zu kümmern, ist für weniger als zwei Drittel sehr oder eher wichtig.

Vier Aspekte der Berufserwartung
Den vielfältigen, in Tabelle 28 angegebenen Erwartungen, die die Befragten an den Beruf stellen, liegen vier thematische Dimensionen zugrunde, die jeweils einen Aspekt der Berufserwartung zuspitzen. Ein erster Aspekt umfasst die ideelle Erfüllung, die ein Beruf bieten soll, dann wird zweitens ein persönlicher Nutzen insbesondere in materieller Form gesucht, die dritte Dimension ist sozialer Art, der vierte Aspekt deutet schliesslich auf ein «jenseits» des Berufes hin.


Die erste Dimension bezieht sich auf eine ideelle Erfüllung, die im Beruf gesucht wird. Als wichtig erachtet wird die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen und selbst etwas auf die Beine zu stellen. Es geht darum, etwas zu tun, das als nützlich für die Gesellschaft bzw. als sinnvoll für die eigene Person eingeschätzt wird. Die ideelle Sinnstiftung abseits materieller Vorteile ist der Bezugspunkt der beruflichen Tätigkeit. Signifikante Unterschiede zwischen den jungen Menschen gibt es bei der Frage nach der Möglichkeit, selbst etwas auf die Beine stellen zu können: Für männliche Befragte ist dies deutlich wichtiger (38 Prozent «sehr wichtig») als für weibliche Befragte (25 Prozent «sehr wichtig»). Zudem weisen Personen ohne Migrationshintergrund (35 Prozent «sehr wichtig»)

Die zweite Dimension lässt sich als Nutzenorientierung fassen. Gute Aufstiegsmöglichkeiten, ein hohes Einkommen sowie ein sicherer Arbeitsplatz deuten auf den persönlichen Profit hin, den junge Menschen von ihrer beruflichen Tätigkeit erwarten. Es sind jedoch nicht ausschliesslich materielle Vorteile, die angestrebt werden. Mit dem Gefühl, anerkannt zu werden, und der angestrebten hohen Verantwortung am Arbeitsplatz ist auch eine ideelle Seite bei der Nutzenorientierung vertreten. Gute Aufstiegsmöglichkeiten sind insbesondere Menschen aus der oberen Schicht (35 Prozent) sehr wichtig; bei jungen Menschen aus der unteren Schicht trifft dies bei 22 Prozent zu. Signifikant unterschiedlich sind bei der Frage nach einem sicheren Arbeitsplatz männliche und weibliche Junge. Für 70 Prozent der jungen Frauen ist dies sehr wichtig; bei jungen Männern hingegen ist dies nur bei 52 Prozent der Fall.

Die dritte Dimension bezieht sich auf soziale Faktoren. Die Möglichkeiten, sich um andere Menschen zu kümmern sowie ein häufiger Kontakt zu anderen Menschen sind hier die relevanten Merkmale einer beruflichen Tätigkeit. Mit der Arbeit soll ein konkreter Beitrag für das Wohl anderer geleistet werden. Es sind Frauen, die signifikant anders als Männer auf die Fragen antworten: 31 Prozent der weiblichen Befragten ist die unterstützende Beschäftigung mit anderen Menschen sehr wichtig, während es bei den männlichen Altersgenossen nur für 8 Prozent der Fall ist. Der häufige Kontakt mit anderen Personen ist 41 Prozent der jungen Frauen sehr wichtig; männlichen Befragten ist dies nur zu 23 Prozent sehr wichtig.

Die vierte Dimension Distanz deutet auf ein «jenseits» des Berufes hin. Hier ist «genügend Freizeit neben der Berufstätigkeit» die relevante Eigenschaft einer beruflichen Tätigkeit. Zudem ist die Möglichkeit, etwas Sinnvolles zu tun, von Gewicht. Dabei wird eine Distanz gegenüber dem Beruf gewahrt, was sich in dem Wunsch nach ausreichend vorhandener Freizeit ausdrückt, um andere, als sinnvoll erachtete Tätigkeiten ausüben zu können.

Vorstellungen vom Berufsalltag
Neben den generellen Ansprüchen an einen Beruf wurden Fragen nach dem konkreten Berufsalltag gestellt (siehe Tabelle 30). Dabei zeigt sich, dass insbesondere der Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. Beruf und Privatleben ein hoher Stellenwert in der Vorstellungswelt der Jungen zukommt.

«Der Alltag im Beruf kann verschieden aussehen. Was meinen Sie zu folgenden Aussagen zur beruflichen Tätigkeit?»

Fast alle Befragten stimmen der Aussage zu, dass neben der Lohnarbeit Familie und Kinder nicht zu kurz kommen sollen. Für 85 Prozent ist es wichtig, in Teilzeit arbeiten zu können, wenn Kinder vorhanden sind.

Wichtig ist den Befragten zudem eine flexible Arbeitszeit. Als wertvoll wird die Möglichkeit erachtet, seine Arbeitszeit kurzfristig an seine Bedürfnisse anpassen zu können. Die Jungen sind auch bereit, am Wochenende zu arbeiten, wenn sie im Gegenzug unter der Woche freinehmen können. Ebenso ist für die Mehrheit eine Vollzeitstelle nicht unbedingt erstrebenswert. Keine hohe Relevanz hat für die Jungen dementsprechend eine geregelte Arbeitszeit mit klar festgelegtem Beginn und Ende.

Der Einschätzung, dass Überstunden einfach dazu gehören, wenn man in seinem Beruf etwas werden will, stimmen nur 9 Prozent «voll und ganz» zu (33 Prozent stimmen «eher zu»).

Drei Dimensionen der Berufsorientierung
Die Vorstellungen vom beruflichen Alltag deuten auf Orientierungen hin, an die die konkrete Gestaltung der Arbeitstätigkeit anschlussfähig sein soll. Dabei zeigen sich drei inhaltliche Dimensionen, die sich erstens auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder privatem Leben, zweitens auf die Flexibilität der beruflichen Tätigkeit und drittens auf eine Karriereorientierung beziehen lassen.


Bei der ersten Dimension ist die Vereinbarkeit von Beruf und privatem respektive familiärem Leben der normative Fluchtpunkt. Als wichtig erachtet wird von den jungen Menschen die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten, wenn Kinder vorhanden sind. Ebenso wichtig eingeschätzt wird, dass Familie und Kinder nicht unter dem Beruf leiden sollen. Die Vereinbarkeit bezieht sich ebenso auf das private Leben, wenn der Möglichkeit, nicht unbedingt Vollzeit arbeiten zu müssen, ein positiver Wert zugeschrieben wird. Schliesslich umfasst diese Dimension auch eine geregelte Arbeitszeit mit klar festgelegtem Beginn und Ende. Hier wird ein Wunsch nach Schutz der privaten Sphäre vor der Berufswelt sichtbar, die sich in Grenzziehungen manifestiert.

Signifikante Unterschiede zeigen sich zwischen den Geschlechtern. Für junge Frauen ist die Vereinbarkeit des Berufs mit ihrer Elternrolle viel bedeutender als für junge Männer. Insbesondere bei der Frage nach der Möglichkeit, bei einer Elternschaft in Teilzeit arbeiten zu können sowie der Einschätzung, dass neben dem Beruf Familie und Kinder nicht zu kurz kommen dürfen, zeigen sich erhebliche Unterschiede im Antwortverhalten von jungen Männern und Frauen (siehe Tabelle 32).

«Der Alltag im Beruf kann verschieden aussehen. Was meinen Sie zu folgenden Aussagen zur beruflichen Tätigkeit?» Stimme voll und ganz zu…

Die zweite Dimension bezieht sich auf den Wert der Flexibilität. Als positiv wird die Möglichkeit eingeschätzt, die Arbeitszeit kurzfristig an die eigenen Bedürfnisse anpassen zu können. Ebenso wird gewürdigt, wenn die Arbeit von zu Hause aus erledigt werden kann. Beim Antwortverhalten auf diese Fragen zeigen sich keine Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von jungen Menschen.

Die dritte Dimension lässt sich als Karriereorientierung bezeichnen. Hier wird von den Befragten die Bereitschaft formuliert, für beruflichen Erfolg private Nachteile in Kauf zu nehmen. So wird die Meinung vertreten, dass Überstunden dazu gehören, wenn man etwas in der Berufswelt erreichen will. Insbesondere Befragte, die der oberen und mittleren Schicht zugeordnet sind, teilen diese Ansicht: sie stimmen zu jeweils 11 Prozent dieser Auffassung «voll und ganz» zu, während es bei Befragten aus der unteren Schicht 2 Prozent sind. Als akzeptabel für die Karriere angesehen wird zudem die Notwendigkeit, sporadisch am Wochenende zu arbeiten, wenn im Gegenzug die Möglichkeit besteht, unter der Woche Zeitausgleich zu nehmen.

Erste Schritte und Erfahrungen in der Berufswelt

Junge Menschen haben bereits vielfältige Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt gemacht. Im vorliegenden Sample sind 23 Prozent der Befragten arbeitstätig, 16 Prozent sind Lernende. 58 Prozent hingegen sind noch in Ausbildung, entweder in der Schule oder an der Universität und Fachhochschule.

Hohe Zufriedenheit mit dem Beruf und der Bezahlung
Die befragten Arbeitstätigen (inklusive Lernende) sind sehr zufrieden mit ihrer beruflichen Tätigkeit. 37 Prozent machen ihre Arbeit «sehr gerne», 44 Prozent geben an, sie «gerne» zu tun. 14 Prozent wählen die Antwortmöglichkeit «teils». Unzufrieden mit dem Job sind nur wenige: 4 Prozent geben an, ihre Arbeit «nicht so gern», lediglich 1 Prozent ihren Job «sehr ungern» auszuüben.

Die Zufriedenheit mit dem Job ist signifikant unterschiedlich je nach Geschlecht und Migrationshintergrund: Männliche Befragte sind zufriedener mit ihrem Job als weibliche Befragte. Sie üben ihren Beruf zu 49 Prozent «sehr gerne» aus, bei weiblichen Arbeitstätigen sind es 29 Prozent. Unzufriedener sind auch Befragte mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland». In dieser Gruppe geben 21 Prozent an, ihren Job «nicht so gern» oder «sehr ungern» auszuüben. Bei den Befragten mit Migrationshintergrund «DACH» wählt niemand diese Antwortmöglichkeiten. 6 Prozent der Personen ohne Migrationshintergrund geben an, den Job «nicht so gern» zu tun.

Bei der Bezahlung herrscht hingegen keine ungeteilte Zufriedenheit. Zwar gibt mehr als die Hälfte, 56 Prozent, an, leistungsgerecht bezahlt werden. Aber 30 Prozent sind nicht dieser Meinung. 14 Prozent können keine Einschätzung abgeben. Wie bei der Zufriedenheit mit der Arbeitstätigkeit gibt es auch bei der Einschätzung der Bezahlung signifikante Unterschiede je nach Migrationshintergrund. Während 67 Prozent der Personen ohne Migrationshintergrund ihre Bezahlung als leistungsgerecht einschätzen, sind es bei Personen mit Migrationshintergrund «DACH» 54 Prozent und bei Befragten mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» 42 Prozent. Ebenso vom Migrationshintergrund abhängig ist die Fähigkeit, den eigenen Lohn als leistungsgerecht einzuschätzen: Bei der Gruppe mit Migrationshintergrund «sonstiges Ausland» kann ein Viertel keine Einschätzung geben und antwortet mit «Weiss nicht», bei Personen ohne Migrationshintergrund sind es 8 Prozent, bei der Gruppe «DACH» 15 Prozent.

Erste Erfahrungen der Ablehnung auf dem Arbeitsmarkt
Auf dem Arbeitsmarkt machen junge Menschen oftmals die ersten Erfahrungen mit Ablehnung. Fast zwei Drittel, 64 Prozent, haben auf ihre Bewerbung für eine Stelle oder ein Praktikum eine Absage erhalten. Junge Frauen trifft dies signifikant häufiger als junge Männer.

Ein gutes Drittel der Befragten, 36 Prozent, hat bereits die Erfahrung gemacht, auf ihre Bewerbung für eine Stelle oder ein Praktikum gar keine Antwort erhalten zu haben. Je nach Schicht gibt es hier signifikante Unterschiede. Bei Befragten aus der unteren Schicht hat genau die Hälfte keine Antwort erhalten, bei der mittleren Schicht ist der Anteil 34 Prozent, bei der oberen Schicht 32 Prozent.